: Grüne klagen gegen Geheimdeals
RÜSTUNGSEXPORT Grüne Politiker reichen in Karlsruhe Klage ein, weil die Regierung das Parlament nach wie vor nicht über die Panzerlieferung nach Saudi-Arabien informieren will
VON STEFAN REINECKE
BERLIN taz | Anlässlich der geplanten Panzerlieferung nach Saudi-Arabien wollen die Grünen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht zur Auskunft zwingen. Das Schweigen der Bundesregierung gegenüber dem Parlament verstoße gegen das Grundgesetz, argumentieren der Berliner Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sowie Parteivorsitzende Claudia Roth und Geschäftsführerin Katja Keul. Der Antrag, der der taz vorliegt, ging am Freitag in Karlsruhe ein.
Wie Anfang Juli berichtet, will Deutschland 200 Leopard-Panzer an Saudi-Arabien verkaufen, das kürzlich mit Panzern die Demokratiebewegung in Bahrain niederschlug. Die Panzer, Typ 2 A7, sind besonders gut für Straßenkämpfe geeignet. Doch Parlamentarier, die von der Regierung wissen wollen, ob Merkel diesen Deal wirklich durchgewinkt hat, wurden mit dem immer gleichen Argument abgeblockt: man könne keine Auskunft geben, zuständig sei der Bundessicherheitsrat und der tage geheim.
Der Bundessicherheitsrat ist ein Gremium, in dem Kanzlerin und eine Handvoll Minister über Waffenexporte befinden. Das Parlament hat im Bundessicherheitsrat nichts zu sagen.
Ein Unding, findet Ströbele. Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt – mit steigendem Umsatz.
Der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto (FDP), meinte dagegen im Bundestag: „Die Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern müssen geschützt werden.“ Ein weiterer Grund sei der Schutz der Interessen des Empfängerlandes. Im Klartext: Weil es saudischen Interessen schaden könnte, dürfen deutsche Abgeordnete nicht wissen, ob und wie viele deutsche Panzer dorthin geliefert werden. Rainer Brüderle, FDP-Fraktionschef, fuhr gar ganz große Geschütze auf. Wer die Geheimhaltungspflicht des Bundessicherheitsrates verletze, müsse strafrechtlich verfolgt werden. Heißt: Nicht der Panzerdeal ist das Problem, sondern dass er öffentlich wurde.
Die Grünen argumentieren in ihrer Organklage mit dem Artikel 26 Grundgesetz. „Das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören“ ist demnach verfassungswidrig. Kriegswaffen dürfen deshalb laut Grundgesetz „nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden“. Die Verfassung, so die Antragsteller, missbillige somit „Waffenexport grundsätzlich“. Die Conclusio der grünen Kläger: „Deshalb ist die Regierung besonders gefordert, ihre Praxis öffentlich vor dem Parlament zu rechtfertigen.“
Neben diesem fundamentalen Einwand gegen die Geheimniskrämerei der Regierung hoffen die Grünen, dass in Karlsruhe ein formales Argument gegen Merkels Mauertaktik zieht. „Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind geheim“, heißt es in der Geschäftsordnung – doch das ist nur auf den ersten Blick eindeutig. Dies bedeute nur, dass der Ablauf der Sitzungen und z. B das Abstimmungsverhalten einzelner Minister geheim ist, nicht aber deren Ergebnis. Denn das wird ja sowieso im jährlichen Rüstungsexportbericht veröffentlicht – nur eben viel später, wenn das Geschäft in der Regel abgewickelt ist.
Die Grünen hoffen, dass sie mit ihrem Angriff gegen den immerhin seit 1955 agierenden Bundessicherheitsrat in Karlsruhe Erfolg haben werden. 2009 urteilte das Bundesverfassungsgericht nämlich, dass die Regierung „das Parlament und seine Organe nicht als Außenstehende behandeln“ kann. Will sagen: Selbst wenn die Rüstungsexporte, die der Bundessicherheitsrat genehmigt, weiterhin als geheim gelten, kann Karlsruhe verfügen, dass die Regierung das Parlament informieren muss.
„Bei einem so zentralen Thema wie Waffengeschäften müssen alle Parlamentarier – und nicht nur ausgewählte Obleute – wissen, worum es geht“, meint Ströbele zur taz. Und die Chancen, dass Karlsruhe das ähnlich sehe, seien nach der bisherigen Rechtsprechung gut.