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Archiv-Artikel

Funktionsjackenwetter

Fest van Cleef in Potsdam

Sie sind für Größeres gemacht, die Funktionsjacken, mit denen die Festivalbesucher dem abendlichen Sommerregen trotzten. Im Monsun wären sie besser aufgehoben gewesen. Ihre Träger jedoch waren am Freitag genau richtig beim Fest van Cleef im Potsdamer Lindenpark, ausgerichtet vom Hamburger Indielabel Grand Hotel van Cleef. Am Rande der Stadt trafen sich junge und nicht mehr ganz so junge Menschen, für die Funktionsjacke und Ringelpulli kein Widerspruch sind, sondern in dieser Kombination das Rüstzeug für die Festivalsaison – auch außerhalb der Monsunregionen dieser Welt. Man kann sogar noch etwas weiter gehen: GHVC-Bands wie Tomte und Kettcar sind imagemäßig die Funktionsjacke der deutschen Indiemusikszene: für Modebewusste nicht tragbar.

Ihren Fans ist das egal. Sie wissen, was sie an ihren Funktionsjacken-Bands haben. Bands wie Fans eint eine Bodenständigkeit, die viel, viel weiter von Berlin-Mitte entfernt ist als Potsdam. Dass diese Bodenständigkeit mitunter in Kitsch umschlägt, genauer: in Männerkitsch um Freundschaften, Trennungen und den ganzen anderen Mist, stört nur diejenigen, die Angst vor großen Gefühlen haben. Alle anderen, also fast alle, sangen laut mit, als Jürgen Vogel die Songs der Hansen-Band, bekannt aus dem Kinofilm „Keine Lieder über Liebe“, intonierte, besonders bei „Die Schönheit der Chance“, einer der GHVC-Hymnen von Tomte. Deren Sänger Thees Uhlmann stand auf der Bühne neben ihm und konnte sich ausnahmsweise mal zurückhalten. Der Regen nahm sich an ihm ein Beispiel und tröpfelte wohlerzogen nur auf die Funktionsjacken-Kapuzen-Köpfe der Festivalbesucher, von denen viele für Festivals bald zu alt sein werden.

DAVID DENK