: Baggern in Europas Amazonas-Delta
SOMMERSERIE (4) So schlimm steht es um Ihren Urlaubsort. Die kroatische Regierung will Donau, Drau und Mur kanalisieren – und damit ein einzigartiges Biotop mit tausenden Tier- und Pflanzenarten zerstören
■ Rund 70 Millionen Urlaubsreisen mit mehr als fünf Tagen und rund 86 Millionen Kurzurlaube haben die Deutschen im Jahr 2010 gebucht. Das hat die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen herausgefunden.
■ 2011 sollen es noch mehr werden. Laut einer Forsa-Umfrage wollen die Reisenden dabei vor allem fremde Kulturen kennen lernen (70 Prozent) und andere Menschen treffen (65 Prozent).
■ Die taz hat für Sie die beliebtesten Ferienziele unter die Lupe genommen – und Geschichten gefunden, die nicht immer ein gutes Licht auf die Entscheidungsträger vor Ort werfen. (taz)
BERLIN taz | Die kroatische Zentrale für Tourismus schwärmt von endlosen Küstenstränden, türkisblauem Meer und den naturbelassenen Regionen – offenbar mit Erfolg: 2010 machten 1,5 Millionen Deutsche Urlaub in dem Balkanland. Damit gehörte es zu den beliebtesten Reisezielen. Und das nicht nur für Pauschaltouristen: Viele unter Naturschutz stehende National- und Naturparks machen das Land auch für Reisende attraktiv, die einen nachhaltigen Urlaub schätzen.
Öko-Bonus in Gefahr
Kroatiens Regierung ist jedoch dabei, diesen Öko-Bonus zu verspielen. Sie will ausgerechnet in das Gebiet des sogenannten europäischen Amazonas eingreifen. Die Flüsse Donau, Drau und Mur sollen kanalisiert werden, um die Durchfahrt für tiefere Schiffe zu vereinfachen. Mit Dämmen, die quer zum Flussufer errichtet werden, und Steinschüttungen soll die Fließstrecke der Flüsse gelenkt und kontrolliert werden.
Der geplante Umbau würde jedoch die umliegende Tier- und Pflanzenwelt massiv gefährden, erklärt Arno Mohl von der Umweltstiftung WWF. Dabei biete die Flusslandschaft ein einmaliges Biotop, mit über 2.000 verschiedenen Tier- und Pflanzenarten. Darunter seltene Fische wie der Zingel oder der Glattdick und Vogelarten wie der Seeadler und der Schwarzstorch.
Die Umweltschützer befürchten auch, dass die Trinkwasserqualität unter dem Ausbau leiden würde: Mit der Flusskanalisierung trocknen die Flussauen und Wälder aus und verlieren somit ihre Filterfunktion.
Das Projekt sei nicht EU-konform, erklärt Mohl. Daher hat der WWF gemeinsam mit kroatischen Umweltverbänden und NGOs bei der Europäischen Kommission Beschwerde eingelegt. Ein unabhängiger EU-Experte solle das Projekt auf Umweltverträglichkeit prüfen.
„Das Problem ist, dass die EU erst aktiv werden kann, wenn das Projekt bereits gebaut wird und dann massive Schäden verursacht“, sagt Goran Gugic, Leiter des kroatischen Naturparks Lonjsko Polje. „Aber dann kann es natürlich zu spät sein.“ Die EU selbst habe Kroatien in die Situation gebracht: Einerseits sei das Land verpflichtet, die Schifffahrtswege zu verbessern, gleichzeitig solle aber auch der Umweltsektor berücksichtigt werden. „Hier müsste man einen Mittelweg finden“, sagt der Naturparkleiter.
Die Skepsis der Umweltverbände, ob die kroatische Regierung ein Einsehen haben werde, hat einen guten Grund. 2009 hatte Zagreb bereits ein ähnliches Projekt zum Umbau der letzten 60 Kilometer der Drau in Kroatien bewilligt. Gegen den Protest der Anrainer, die die Mündung der Mur in die Drau nahe der Stadt Legrad zum Baden und Fischen nutzten. Und gegen die Einschätzung von EU-Experten, die das Projekt als nicht umweltverträglich einstuften – denn die kam zu spät: Die Baupläne waren bereits bewilligt, bevor das Ergebnis vorlag.
GORAN GUGIC, NATURPARKLEITER
Die Baufirmen profitieren
„Das war wie ein Schlag ins Gesicht für die EU“, sagt Mohl. Er glaubt, dass die enge Verflechtung der kroatischen Regierung mit einer Handvoll Baufirmen, die von dem Ausbau profitieren, der Grund für die übereilte Entscheidung war. Bei dem aktuellen Donauausbauprojekt, das deutlich hunderte Millionen Euro kosten soll, liege eine ähnliche Gemengelage vor.
Noch besteht die Möglichkeit, dass das Projekt an der Finanzierung scheitert – oder dass die EU-Kommission doch noch eingreift, wenn Kroatien im kommenden Jahr EU-Mitglied wird. Die Umweltschützer warnen jedoch, dass Zagreb versuchen werde, die Umsetzung ihrer Pläne noch vor diesem Termin festzuzurren. MANUELA TOMIC