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Archiv-Artikel

Die Waffen der Aufklärung sind noch nicht stumpf

Das Arsenal feiert 30. Geburtstag. Das Programm des linken Verlags folgt heute den vielfältigen Interessen von Verleger Moses-Krause

Der Verleger Peter Moses-Krause wohnt nicht eben in bescheidenen Verhältnissen, aber nicht, weil er seit nunmehr 30 Jahren den Verlag Das Arsenal betreibt. Seine Frau verdient so gut, dass er sich keine Sorgen machen muss. Die Einnahmen des Verlegers hingegen sind schwankend. Dabei hat Das Arsenal laut Moses-Krause noch immer Startauflagen von rund 3.000 Exemplaren, und einige Titel erreichen noch immer zweite und sogar dritte Auflagen – das ist nicht schlecht für einen Verlag, der noch nicht einmal über eine eigene Website verfügt.

Das Arbeitszimmer, in dem der 64-jährige Pfeifenraucher Moses-Krause empfängt, hat Ausblick auf den Charlottenburger Schlossgarten und ist reichlich mit Bücherstapeln gefüllt. Es ist zugleich das Verlagsbüro – so gut, dass sich der Verlag eigene Räume leisten könnte, geht das Geschäft nicht mehr. Doch bei allem bourgeoisem Auftreten ist Moses-Krause kein Snob. Denn er hat eine typische linke Verlegervergangenheit. Bevor er sich selbstständig machte, war er beim Berliner Oberbaum Verlag tätig, der proletarisch-revolutionäre Romane verlegte oder Bücher mit dem Titel „Im Namen des Volkes! Rote Hilfe gegen Polizeiterror und Klassenjustiz“. Moses-Krause selbst neigte einer maoistischen K-Gruppe zu, war allerdings nie Kader. Dass er seinen eigenen Verlag im Jahr 1977 gründete, „ist kein Zufall“. Dem Sicherheitsstaat, der sich im Deutschen Herbst ausbreitete, wollte er, der sich bis heute als ein politischer Verleger begreift, etwas entgegensetzen.

Der „Verlag für Kultur und Politik“, wie er noch immer heißt, sollte ein Arsenal für die Waffen der Aufklärung sein. Das erste Programm eröffnete mit dem vom Verleger und seiner Gattin übersetzen Buch „Salz der Erde. Geschichte eines Films“ über „kulturelle und politische Unterdrückung in den USA“, das von den berühmten Hollywood Ten herausgegeben worden war. Damals wurde auch der Band „Georg Lukács und der Revisionismus. Eine Sammlung von Aufsätzen“ veröffentlicht. Weitere Titel der ersten Jahre zeugen vom politischen Profil: Die Carl-von-Ossietzky-Biografie von Bruno Frei erschien 1978, ein Jahr später wurden Jochen Köhlers „Volkstümliche Geschichten vom Überleben in Berlin 1933–1945“ unter dem Titel „Klettern in der Großstadt“ veröffentlicht. 1979 gab der Prototyp aller linken deutschen Verleger, Wieland Herzfelde, höchstselbst ein Doppelband mit den Reprints der Zeitschriften „Der Gegner“ und „Die Pleite“ heraus, für die Anfang der Zwanzigerjahre wiederum so namhafte Autoren wie Karl Otten und Carl Einstein als Herausgeber zuständig waren.

Doch zusehends verabschiedete sich der Verleger Moses-Krause vom tagespolitischen Geschäft, die Enttäuschungen nach dem Deutschen Herbst ließen ihn sein Programm verändern. Klassische Flaneure wie Franz Hessel oder Siegfried Kracauer hielten mit kleinen Büchern ins Verlagsprogramm Einzug, Victor Auburtin und Béla Balász bekamen Werkausgaben, hinzu gesellten sich im Lauf der Jahre Tucholsky, Heinz Knobloch, Hans Sahl, Gerhard Wolf, Ingrid Mylo oder Jean Renoir. Mit der Reihe „Bücher des 9. November“ erinnert Moses-Krause zudem seit einigen Jahren an die Leiden, die die Deutschen den Juden zugefügt haben.

Moses-Krause legt Wert darauf, dass seine Bücher schön gestaltet und sorgfältig lektoriert sind, dafür lässt er auch mal Vertriebsfragen hintanstehen. Oder eben die Website, die aber noch dieses Jahr kommen soll. Die Buchhandlungen führen seine Bücher kaum noch, denn das „gute Buch“ ist bei Kettenbuchhandlungen nicht gefragt, doch auch der Buchhändler, der auf einen gut sortierten Laden wert legt, muss sich immer mehr beschränken. Zeiten, in denen so großartige Buchhandlungen wie die längst verschwundene Heinrich-Heine-Buchhandlung im Bahnhof Zoo alle Arsenal-Bücher im Lager hatten, sind passé! Doch Moses-Krause wirkt nicht geknickt. Er will noch mindestens zwanzig Jahre weitermachen und kündigt in seinem Prospekt schon jetzt Projekte für den Herbst 2008 an. Denn das Arsenal will weiterhin bestückt werden. JÖRG SUNDERMEIER

Am Samstag feiert der Verlag Das Arsenal seinen 30. Geburtstag mit vielen Lesungen in Wolffs Bücherei, Bundesallee 133, ab 20 Uhr