: Kameras scheitern an Wintermode
Der erste Versuch einer Gesichtserkennung per Kamera in Mainz hat sich für das Bundeskriminalamt als Enttäuschung erwiesen. Schon Schal und Kapuze machten viele Gefilmte für die Technik nicht mehr wiedererkennbar. Kosten: 210.000 Euro
AUS WIESBADEN KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Die Physiognomie von Jörg Ziercke war auch ohne die Auswertung der laufenden Bilder auf den Monitoren der Kollegen vom TV leicht zu interpretieren. Zu deutlich war dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA) die Enttäuschung über den fehlgeschlagenen Feldversuch zur Fotofahndung anzumerken. Denn nur zu gerne hätte er seinen Fahndern ein weiteres Instrumentarium zur Früherkennung vor allem von Terroristen zur Verfügung gestellt und damit auch dem Bundesinnenminister eine Freude bereitet. Wolfgang Schäuble (CDU) nämlich hatte die weltweit erste Testreihe zur Abgleichung einer elektronischen Datenbank mit Fahndungsfotos mit den von einer Kamera live eingefangenen Gesichtern in einer Menschenmenge nachdrücklich begrüßt. Doch die Vermessung von Lebewesen (Biometrie) taugt nach dem aktuellen Stand der Technik nicht dazu, Gesichter in Menschenmengen in Echtzeit zu erkennen und zu extrahieren. Das System wird den polizeilichen Einsatzanforderungen nicht gerecht, so das Fazit von BKA-Chef Ziercke. Knapp vier Monate lang wurden in der Eingangshalle des Mainzer Hauptbahnhofs rund 23.000 Reisende täglich von insgesamt sechs Kameras aufgenommen; darunter 200 freiwillige Testpersonen, deren Porträtaufnahmen zuvor in einer mit den Videokameras verbundenen Datei abgespeichert worden waren. Im Prinzip habe das System auch funktioniert, sagte Ziercke. Viele Probanden seien tatsächlich automatisch identifiziert worden. Doch die Fehlerquote sei nicht akzeptabel.
Spät nachts fielen bei der Fotofahndung gut 90 Prozent der Versuchspersonen durch das Raster. Doch auch an Tagen mit viel Sonnenschein wurden in der Spitze lediglich 60 Prozent der Testteilnehmer aus den Menschenmengen herausgefiltert. Zog ein Proband wegen der Dezemberkälte 2006 etwa den Schal auch nur über den Mund, ging er in der Menge der Reisenden unerkannt einfach unter.
Eine erfolgreiche Fotofahndung braucht also gut ausgeleuchtete Räumlichkeiten und am besten Zielpersonen, die direkt und ohne Sonnenbrillen und Kapuzen in die Kameras lächeln. Terroristen oder etwa auch Hooligans jedenfalls sei so nicht beizukommen, konstatierte denn auch der Projektleiter Biometrie des BKA, Andrew Pretzel. Zudem erfordere jede richtige Erkennung im Ernstfall die umgehende Reaktion von Einsatzkräften. Das System funktioniere also nur dort, wo bereits Polizei für den raschen Zugriff bereitstehe. Das schränke die Einsatzmöglichkeiten zusätzlich ein.
210.000 Euro hat die Testreihe gekostet: Alles für die Katz. Auch dem Vorschlag eines Kameraherstellers, die Fotofahndung etwa auf Flughäfen zur Überprüfung von aussteigenden Passagieren einer verdächtigen Maschine einzusetzen (taz von gestern), erteile Ziercke eine Absage. Das funktioniere nur mit Frontaufnahmen einzelner Personen; doch in der direkten Konfrontation mit dem polizeilichen Gegenüber stünden schließlich schon andere, effektivere Fahndungsinstrument zur Verfügung. Die letzte Hoffnung: Die 3-D-Gesichtserkennung. Da sagten die Experten, dass die Fehlerquote maximal 10 Prozent betragen werde. Denn die Kopfform ist dann das entscheidende Erkennungsmerkmal. Doch das ist Zukunftsmusik. Bis zur Anwendungsreife von 3 D sei es noch ein weiter Weg, weiß auch Ziercke. Jetzt müsse erst einmal die Online-Durchsuchung von Computern durchgesetzt werden.
Auch da liegt Ziercke mit seinem Chef Wolfgang Schäuble auf einer Linie. Terroristen und organisierte Verbrecher telefonierten eben immer weniger, sondern kommunizierten von Computer zu Computer. Die Telefonüberwachung sei deshalb von gestern – und die Online-Durchsuchung eine Fahndungsmethode von heute.
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