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Archiv-Artikel

Vermummungsverbot jetzt!

BURKA Die Union fordert wieder ein Burka-Verbot. Passend zur Jahreszeit sollte man dann aber auch große Schals und Motorradhelme verbieten. Skimützen nur auf der Piste, bitte

Burka, das ist nicht unsere Integration. Unsere Integration sind Verschleierte, die auf der Straße verächtlich gemacht werden. Unsere Integration zieht gefälligst blank

VON HEIDE OESTREICH

Da hammers. Alle Jahre wieder kommt das Burka-Verbot. Diesmal anlässlich der Vorweihnachtszeit, äh, pardon, des Integrationsgipfels, fordern CDU-Star Julia Klöckner und CDU-Auch-Star Jens Spahn (im Wahlkampfmodus um einen CDU-Vizeplatz) den Schleier fallen zu lassen. Wer sich nicht entblößt, soll zahlen.

Und was gewinnen wir damit? Richtig: Gleichberechtigung. Aber nicht etwa die Gleichberechtigung zwischen Musliminnen mit merkwürdigen Bekleidungsgewohnheiten und Nichtmusliminnen. So einfach geht das nicht mit unserer Gleichheit. Hier ist man nämlich auf christliche Art gleich, oder auch auf deutsche oder westeuropäische oder wie auch immer. Die Frau Muslimin nämlich, die ist unterdrückt und nicht gleich. Damit sie gleich wird, muss man ihr das Unterdrückungsmittel wegnehmen, ist doch logisch.

So weit, so Stammtisch. Und dann kommen noch herzzerreißende Geschichten aus Kitas, in denen Kinder schreiend wegliefen, weil eine vollständig schwarz verschleierte Mutter ihren Nachwuchs abholen wollte. Und die Erzieherinnen, die wussten dann ja auch gar nicht, wen sie vor sich hatten. Hätte ja sonst wer sein können.

Dass Integration am Tag des Integrationsgipfels auch heißen könnte, dass man den Kindern den Schleier erklärt und sie mit der Frau darunter bekannt macht – oder dass die Erzieherin die Frau sicherlich nach kürzester Zeit erkennen könnte (zur Not kann man auch mal kurz nachschauen), das ist nicht unsere Integration. Unsere Integration, das sind Verschleierte, die auf der Straße angegriffen und verächtlich gemacht werden. Unsere Integration zieht gefälligst blank.

Nicht nur Stammtisch und Mütterkreis denken das übrigens, einige westeuropäische Länder haben schon ein Burka-Verbot erlassen, Frankreich und Belgien etwa, Spanien und die Niederlande sind dabei. Und, und das ist der Trumpf, der sticht: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat’s erlaubt.

Die kruden Gleichberechtigungsargumente hat er dabei zum Glück zurückgewiesen. Schließlich herrscht in Westeuropa Bekleidungsfreiheit – auch für Frauen. Die RichterInnen trieb etwas anderes um – und das kann man sogar verstehen: Es ist extrem unangenehm, mit jemandem zu sprechen, dessen Gesicht man nicht sehen kann. Die Bedingungen des menschlichen Miteinanders in einer Gesellschaft darf ein Staat festlegen, entschied der Gerichtshof.

Darf er. Okay. Alle sollen alle Gesichter sehen können. Kann man vertreten. Aber dann bitte ein Vermummungsverbot für alle. MotorradfahrerInnen dürfen dann nicht mit Helm Zigaretten kaufen gehen. Ski- und Gesichtsmützen dürfen nur auf der Skipiste getragen werden. Und den Schal im Winter bitte nicht über Mund und Nase ziehen: 150 Euro Strafe. Karnevalsmasken ausschließlich am Rosenmontag. Clowns bekommen eine Ausnahmegenehmigung.

Wäre etwas umständlich. Aber alles andere ist wirklich diskriminierend: Nur Frauen und nur Musliminnen wären betroffen. Diskriminierung wegen des Geschlechts und der Religion ist verboten. Antidiskriminierungsgesetz. Aber wenn man sich vorstellt, wie Polizisten MützenträgerInnen über den Ku’damm jagen, spätestens dann wird klar, was so ein Vermummungsverbot ist: Vollständig überflüssig.