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Proteste werden radikaler, die Polizei geht härter vor

HONGKONG Bislang waren die Protestführer um einen friedlichen Ablauf bemüht. Das ändert sich nun

„Kaum einer versteht mehr, was die Studenten noch wollen“

WONG YIU-CHUNG, POLITOLOGE

VON FELIX LEE

PEKING taz | Vor knapp zwei Wochen hatte einige Demonstranten von sich aus beschlossen, nicht nur brav auf dem Platz vor dem Hongkonger Regierungssitz auszuharren, sondern zu radikaleren Maßnahmen zu greifen. Sie versuchten das Parlamentsgebäude zu besetzen. Als es dabei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften kam, distanzierten sich die Protestführer. „Wir stimmen mit dem Grund für diese Aktionen nicht überein“, sagte der 18-jährige Joshua Wong, Anführer der Bewegung Scholarism, damals. Nun ruft er selbst dazu.

Am Sonntag verkündeten die Führer der Hongkonger Studentenvereinigung und von Scholarism vor dem Regierungsgebäude eine „Ausweitung der Proteste“. Mehrere hunderte meist junge Demonstranten nahmen den Aufruf wörtlich und durchbrachen, inzwischen oft mit gelben Bauarbeiterhelmen geschützt, mehrere Polizeiabsperrungen.

Als sie auch die Gitter vor dem Amtssitz des von ihnen so verhassten Hongkonger Regierungschefs Leung Chun-ying niederreißen wollten, griffen die Einsatzkräfte ein. Es kam zur bislang heftigsten Konfrontation seit Beginn der Blockaden vor zwei Monaten. Die Einsatzkräfte setzten Schlagstöcke, Pfefferspray und erstmals einen Wasserwerfer ein und nahmen mindestens 40 Demonstranten fest. Die ganze Nacht hielten die Auseinandersetzungen an. Auch am Montag kam es zu Rangeleien.

Derzeit halten die Demokratie-Aktivisten noch zwei zentrale Orte in Hongkongs Innenstadt mit Zelten besetzt. Eine dritte Blockade in dem Geschäftsviertel Mongkok in Kowloon hatte die Polizei letzte Woche aufgelöst, nachdem Gewerbetreibende und ein Taxiverband erfolgreich gegen die Besetzer geklagt hatten. Schon diese Räumung verlief nicht friedlich. Seitdem werden unter den Aktivisten die Stimmen nach einer Radikalisierung immer lauter.

Seit Monaten fordern die Aktivisten den Rücktritt des Hongkonger Regierungschefs Leung Chun-ying und eine Direktwahl unabhängiger Kandidaten für dessen Nachfolge. Die Führung in Peking ist zwar bereit, ab 2017 erstmals direkte Wahlen in der südchinesischen Sonderverwaltungszone zuzulassen, doch nur unter von Peking vorausgewählten Kandidaten. Chinas Führung lehnt auch Vermittlungsversuche aus dem Ausland ab. Sie verweigerte am Montag einer britischen Parlamentariergruppe die Einreise nach Hongkong, die sich ein Bild von der Lage in der ehemaligen Kronkolonie machen wollte. Hongkongs letzter britischer Gouverneur Chris Patten wirft China Vertragsbruch vor.

Gingen zu Beginn der Blockade jeden Abend Zehntausende zur Unterstützung der Demokratie-Aktivisten auf die Straße, ist die Stimmung in der Stadt inzwischen gekippt. „Kaum einer versteht mehr, was die Studenten eigentlich noch wollen“, sagt Wong Yiu-chung, Politologe der Hongkonger Lingnan-Universität. Er rät zu einem Ende der Proteste. Auch Benny Tai, der Mitinitiator der Blockaden, hat inzwischen bereits mehrfach dafür plädiert, neue Protestformen zu suchen.

Davon scheinen die verbliebenen Aktivisten in den Protestcamps nichts wissen zu wollen. Die in Hongkong erscheinende Zeitung South China Morning Post zitierte einen Studenten, der die versuchte Besetzung des Regierungsgebäudes als „sehr ermutigend“ bezeichnet. Oscar Lai Man-kok von Scholarism sprach von den „meisten Teilnehmern seit zwei Wochen“ und rief lediglich dazu auf, sich von der Polizei nicht provozieren zu lassen.

Mitarbeit: Felix Milkereit, Hongkong

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