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Archiv-Artikel

Eine komplett gespaltene Gesellschaft

REPUBLIK MOLDAU Die Wähler haben die prorussischen Sozialisten zur stärksten Kraft im neuen Parlament gemacht. Aber die Regierung werden wohl proeuropäische liberale Parteien bilden – eventuell zusammen mit den russlandkritischen Kommunisten

BERLIN taz | „Welche Parteien sind im neuen Parlament, und wer wird sich mit wem nach den Wahlen verbünden“, fragte die moldauische Ausgabe der russischen Zeitung Komsomolskaja Prawda am Montag und deklinierte mehrere Varianten durch.

Ersten vorläufigen Ergebnissen zufolge kommen die Sozialisten, deren Parteispitze im November von Russlands Präsidenten Wladimier Putin im Kreml empfangen worden war, auf rund 21 Prozent der Stimmen (26 Sitze). Sie ist damit stärkste Kraft in der neuen Volksvertretung. An zweiter Stelle liegt die regierende Liberaldemokratische Partei mit 19,5 Prozent (23 Sitzen), gefolgt von den Kommunisten (knapp 18 Prozent, 22 Mandate), der Demokratischen Partei (15,7 Prozent, 19 Sitze) sowie der Liberalen Partei (9,4 Prozent, 12 Mandate). Alle anderen Bewerber scheiterten an der 6-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 56 Prozent. In der von Chisinau abtrünnigen und international nicht anerkannten Region Transnistrien durften die Bewohner nicht mit abstimmen.

Die im September registrierte prorussische Partei „Vaterland“ des Unternehmers Renato Usatii, der 8 Prozent vorausgesagt worden waren, wurde in der vergangenen Woche von den Wahlen ausgeschlossen. Zur Begründung hieß es, die Partei sei aus dem Ausland finanziert worden. Diese Entscheidung hatte sowohl in Russland als auch in den USA und der EU Kritik ausgelöst.

Das Ergebnis zeigt einmal mehr, dass die Gesellschaft des 3,1-Millionen-Einwohner-Staates in der Frage einer Annäherung an die Europäische Union oder an Russland komplett gespalten ist. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1.675 Euro pro Kopf (Deutschland: 36.000 Euro) gehört Moldau zu den ärmsten Staaten Europas. Nach Schätzungen arbeiten bis zu einer Million Moldauer im Ausland, davon rund 400.000 in Russland. Ohne ihre Rücküberweisungen in die Heimat würde der moldauische Staatshaushalt zusammenbrechen.

Moskau verfolgt die Westwärtsbewegungen der moldauischen Regierung, die im vergangenen Juni ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet hatte, mit Argusaugen. Bereits mehrmals setzte der Kreml bei den „Gastarbeitern“ den Hebel an, indem er mit einer Verschärfung des Aufenthaltsrechtes drohte. Zudem verfügte Moskau einen Importstopp für moldauische Lebensmittel und dreht auch immer mal wieder gern an der Preisschraube für Gas, um den ehemaligen Bruderstaat gefügig zu machen.

Wie Russland mit dem Ausgang der Wahlen und einer wahrscheinlichen Neuauflage der EU-orientierten Koalition umgehen wird, ist noch nicht abzusehen. Diese hat jedenfalls angekündigt, ihren Kurs fortzusetzen. Vielleicht sogar gemeinsam mit den Kommunisten. Diese sind mittlerweile ein wenig zu Russland auf Distanz gegangen, wollen jedoch das EU-Abkommen nachverhandeln. Und, wie KP-Chef Wladimir Woronin sagte, die Korruption und Mafia loswerden. BARBARA OERTEL