: Die nach dem Feuer kommen
KRIMINALITÄT Bei einem Brand kommt nicht nur die Feuerwehr. Auch die Ermittler vom Landeskriminalamt rücken aus und hoffen darauf, am Tatort verwertbare Spuren zu finden. Doch die Aufklärungsquote ist gering
ERSTER KRIMINALHAUPTKOMMISSAR MICHAEL REHDER
VON OTTO DIEDERICHS
Regelmäßig werden derzeit in den verschiedensten Berliner Bezirken Autos abgefackelt. Meist gelten solche Brandstiftungen als politisch motiviert und sind damit ein Fall für den Polizeilichen Staatsschutz. Doch was geschieht, wenn, wie Mitte März, in der Neuköllner Sonnenallee in einem Hausflur ein Kinderwagen angezündet wird und durch den sich ausbreitenden Brand drei Menschen zu Tode kommen und 22 weitere ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen? Oder wenn, wie Anfang des Monats im Wedding, mehrere Wohnungen durch Flammen komplett verwüstet werden? Oder wenn, wie erst in der Nacht zu Sonntag, Sperrmüll im Keller eines Hauses in Marzahn angezündet wird?
In solchen Fällen rücken neben der Feuerwehr immer auch die BrandermittlerInnen des Landeskriminalamtes (LKA) aus. Aus Krimis weiß man höchstens, dass sie in qualmenden, rußigen Löchern herumkriechen, im Schutt graben und hinterher stinken wie Iltisse. „Unsere Spuren liegen ja meist unter dem Schutt“, sagt der Erste Kriminalhauptkommissar Michael Rehder, der eines der drei Berliner Brandkommissariate leitet. Was also machen die Brandspezialisten vom LKA wirklich?
„Mit der Feuerwehr kommt immer auch eine Funkstreife, und die KollegInnen stellen dann die Weichen“, sagt Rehder. Soll heißen: Brennt irgendwo ein öffentlicher Papierkorb oder in einem Hof eine Mülltonne und werden keine weiteren Schäden verursacht, ist die Sache für die Polizei nach dem Löschen erledigt. Haben die uniformierten KollegInnen jedoch Zweifel, melden sie den Fall weiter.
Da vorsätzliche Brände meist nachts gelegt werden, informiert die Streife zunächst den Kriminaldauerdienst, der sich an den Brandort begibt oder – wenn der Fall auch so schon heftig genug klingt – gleich die Brandermittler. „Wir sind immer in Rufbereitschaft und müssen nahezu täglich raus“, sagt Rehder. 848 vorsätzliche Brandstiftungen gab es im letzten Jahr in der Stadt, 75 mehr als im Vorjahr. Nicht mitgerechnet sind hier Fahrlässigkeit und technische Ursachen.
Vor Ort finden die ErmittlerInnen meist ein Chaos vor. Fingerabdrücke oder Ähnliches gibt es so gut wie nie, der Brandort ist von den Löscharbeiten nass, im Hof liegen noch qualmende Gegenstände. Auch wenn sich die Feuerwehr alle Mühe gibt, bei ihrer Aufgabe so wenig Spuren wie möglich zu verändern – etwa Mauern möglichst nach außen einreißt – selten ist etwas so, wie es vorher war. Wenn möglich und nötig, werden an- und ausgebrannte Möbelstücke wieder an ihren alten Ort gebracht. Auch speziell ausgebildete Spürhunde können zum Einsatz kommen.
Alle so gesicherten Spuren gehen an die Abteilung Kriminaltechnik, und für die ErmittlerInnen beginnt die kriminalistische Schreibtischarbeit. Die funktioniert zunächst nach dem Ausschlussverfahren: Was kommt als Brandursache nicht in Frage? Hinzu kommt die Befragung von Zeugen: Feuerwehrleuten, Betroffenen, Nachbarn. Einiges wissen die BeamtInnen aus Erfahrung: So sind 90 Prozent der Brandstifter Männer, gezündelt wird meist im sozialen Nahraum, aus Frust oder aus Rache.
Dennoch ist die Chance, den Täter zu fassen, gering, selbst wenn es einen Verdächtigen gibt. „Die Geständnisfreudigkeit ist bei Brandstiftern nicht groß“, sagt Rehder. Dass sich ein Täter – wie im Weddinger Fall geschehen – selbst stellt, ist äußert selten. Die Aufklärungsrate liegt bei Branddelikten bei circa 20 Prozent.
Auf die Frage, wie viele BrandspezialistInnen im LKA arbeiten, darf Rehder nicht antworten. Anderenorts ist man auskunftsfreudiger: „Etwa 30, mal einer mehr oder weniger.“ Denn alle melden sich freiwillig zu dieser Ermittlungsarbeit, und irgendwann hat mancher auch die Nase voll vom ewigen Brandgeruch.