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Archiv-Artikel

Ein echter Brüller

Die Luxemburger streiten um ihre Nationalflagge: Darf es der Löwe sein – oder wäre das ein nationalistischer Akt?

Die Luxemburger gelten gemeinhin als friedliebendes Völkchen. Auch wenn das Großherzogtum über eine eigene Armee verfügt, deren Soldaten vereinzelt an Konfliktherden wie dem Balkan oder Afghanistan zum Einsatz kommen, hält sich sein Bedrohungspotenzial doch in Grenzen. „Rückwärtsgewandten, aggressiven Nationalismus“ mag man dem Zwergstaat kaum zutrauen.

Doch solcherart Tendenzen machte einer der renommiertesten Journalisten des Landes beim Fraktionschef der regierenden Konservativen, Michel Wolter, aus. Der Juncker-Zögling hatte vor einigen Monaten einen Gesetzesvorschlag aus dem Hut gezaubert, der eine neue offizielle Flagge für das Großherzogtum vorsieht: Statt der derzeitigen Trikolore will Wolter einen roten Löwen auf blau-weißen Streifen.

Innerhalb kürzester Zeit sammelte er für sein Vorhaben mehr als 26.000 Unterschriften, und auch die Umfragen schienen Wolter recht zu geben: 51 Prozent der Bevölkerung votierten für den „Roude Léiw“, das Wappentier Luxemburgs, das samt erigiertem Glied schon jetzt als Luft- und Schifffahrtsflagge herhalten muss. Gegen das Ansinnen der „Initiativ Roude Léiw“ machte rasch die „Initiativ Roud-Wäiss-Blo“ mobil. Die tritt für den Erhalt der Trikolore ein. Dabei sieht diese der niederländischen Flagge täuschend ähnlich, was auf internationalem Parkett schon mal für diplomatische Verwirrung sorgt. Schließlich ist der Unterschied zwischen Kobaltblau (Niederlande) und Himmelblau (Luxemburg) nicht sehr groß.

Schon des Öfteren sei es deshalb vorgekommen, dass luxemburgische Minister in Brüssel mit ihren niederländischen Amtskollegen verwechselt wurden, heißt es aus den Reihen der „Fahnenflüchtigen“. Trikolore-Fans kontern, derartige Vorfälle rechtfertigten keine so symbolträchtige und aufwändige Maßnahme wie einen Austausch der Nationalflagge.

Derart verworren ist die Lage inzwischen, dass Premierminister Jean-Claude Juncker und seine Regierung jetzt einen typisch luxemburgischen Kompromiss beschlossen: Bei patriotischen, kulturellen und sportlichen Ereignissen wird der „Roude Léiw“ brüllen dürfen; gleichberechtigt und ganz legal neben der rot-weiß-blauen Trikolore, die die offizielle Fahne des Großherzogtums bleiben soll.

MARCUS STÖLB