Die Seitenhiebe eines braven Schülers

Otto Häuser, Autor der DDR-Kinderlegende „Der brave Schüler Ottokar“ ist im Alter von 83 Jahren verstorben. Seine Pippi Langstrumpf des Ostens war eine Satire auf den sozialistischen Alltag und überlebte sogar knapp die Wende

Sein „braver Schüler Ottokar“ war zu DDR-Zeiten berühmt. Sein „Vater“, der Schriftsteller Otto Häuser, ist tot. Besser bekannt war Häuser unter seinem Autorennamen Ottokar Domma. Seine Geschichten über den schelmisch-naiven Schüler waren im Osten ähnlich beliebt wie Pippi Langstrumpf im Westen. Bis ins hohe Alter war Häuser, der in Schöneiche bei Berlin lebte, als freischaffender Schriftsteller aktiv. Am Sonntag starb der Autor nach langer schwerer Krankheit im Alter von 83 Jahren im Krankenhaus. Dies teilte gestern der Eulenspiegel Verlag unter Berufung auf die Familie mit.

2006 bekam Häuser das Bundesverdienstkreuz für sein Lebenswerk. Dabei zeigte sich der Satiriker verwundert. Die Figur des zwölfjährigen Schülers sei „ohne das Volksbildungssystem der DDR undenkbar gewesen“, meinte er. Der „brave Schüler“ Ottokar, den Häuser in den 60er-Jahren erfand, blieb 40 Jahre lang ein Sechstklässler. „Ottokar ist ein Typ der DDR“, meinte Häuser einmal in einem dpa-Gespräch. Der Junge rede über Menschen und Dinge, wie sie hätten sein sollen, aber eben nicht waren.

Die Leserschaft der Ottokar-Geschichten zählte zu Ostzeiten Millionen und faszinierte Jung und Alt. „Die Figur ist heute fast Legende“, sagte Häuser nicht ohne Stolz. Die Ost-Berliner Satirezeitschrift Eulenspiegel hatte bei der Geburt des vielleicht berühmtesten ostdeutschen Jungen einst Pate gestanden. Dem Erstling „Der brave Schüler Ottokar“ (1967) folgten bis zum Mauerfall Geschichten von Ottokar als „Früchtchen“, „Weltverbesserer“, „Gerechter“, „Schalk“ und „Philosoph“. Nach der Wende hängte der Zwölfjährige sein „Pionierhalstuch an den Nagel“ und machte sich seinen Reim unter anderem auf die „neuen Deutschen“. So wurde 1990 aus Pionier Ottokar ein Gesamtschüler, der seiner Rolle als Rabauke treu blieb, wie der Verlag hervorhob.

Ottokars Popularität sorgte dafür, dass der Autor häufig mit „Herr Domma“ angeredet wurde. Über seine Streiche, seine altklugen Beobachtungen und pfiffigen Ideen amüsierten sich die Leser besonders dann, wenn es um Seitenhiebe auf den Realsozialismus ging. Häuser wollte Nachdenken wecken. „Ich habe sämtliche Probleme der DDR abgearbeitet“, behauptete er von sich. Die ergötzlichen Berichte machten Geschichte lebendig: der Familien-Ausflug mit dem endlich erworbenen Trabi, die Pioniernachmittage mit sowjetischen Freunden, der liebe Westbesuch oder auch Vaters handwerkliche Hilfe für Ottokars Lehrerin, die im Unterricht aus Dankbarkeit nun ein Auge zudrückt.

Geboren wurde Häuser 1924 in Schankau, dem heutigen Sankow in der Nähe von Karlovy Vary (Karlsbad) in Böhmen. In „Erinnerungen eines Großvaters“ (1999) hat er über seine Kindheit im Böhmischen erzählt. Häuser, der an der Berliner Humboldt-Universität studierte, war auch Lehrer, Schulleiter und Journalist. Er schrieb für das Neue Deutschland ebenso wie für den Eulenspiegel. DPA