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Archiv-Artikel

„Das Problem ist das Unvorhersehbare“

Jedes Beben ist anders, deswegen kann man kein AKW erdbebensicher bauen, sagt Axel Mayer vom BUND

AXEL MAYER, 52, vom BUND Südlicher Oberrhein befasst sich mit dem Erdbeben- risiko für Atomkraftwerke.

taz: Herr Mayer, Japan ist ein Erdbebenland, und selbst dort scheinen die Atomkraftwerke nicht erdbebensicher gebaut zu sein. Wie kann das sein?

Axel Mayer: Natürlich hat man beim Bau der japanischen Reaktoren die Erdbebengefährdung der Region berücksichtigt. Aber das Problem liegt darin, dass man immer Normen zugrunde legt, die nicht unbedingt die Ereignisse im konkreten Einzelfall widerspiegeln. Ereignet sich ein Beben, wie man es exakt in dieser Form noch nicht hatte, dann ist die Technik dafür möglicherweise nicht ausgelegt. Das größte Problem sind die nicht vorgesehenen, nicht planbaren Unfallabläufe.

Ein Beispiel?

Ich nehme eines aus unserer Region: Das französische Atomkraftwerk Fessenheim an der deutschen Grenze wurde auf das stärkste Erdbeben ausgelegt, das man am Standort bisher verzeichnet hat. Das war das Beben in Basel im Jahr 1356, dessen Zentrum 30 Kilometer von Fessenheim entfernt lag. Sollte ein Beben wieder in Basel stattfinden, würde das Kraftwerk standhalten; für ein Erdbeben direkt unterhalb des Kraftwerks jedoch ist die Anlage nicht ausgelegt.

In welchem Ausmaße sind Reaktoren in Deutschland von Erdbebenrisiken betroffen?

Das AKW Mülheim-Kärlich wurde stillgelegt, weil es nicht für Erdbeben ausgelegt war. Auch die beiden Blöcke in Biblis sind deswegen in der Kritik.

Was kann in einem Atomkraftwerk beim Erdbeben aus technischer Sicht alles passieren ?

Es kann zum Riss oder gar zum Abriss der Rohre im Primärkreislauf kommen. Besonders in den alten Siedewasserreaktoren ist dieses Risiko groß, in Druckwasserreaktoren ist es etwas geringer. Es kann auch passieren, dass die Bremsstäbe nicht mehr einfahren können und der Reaktor außer Kontrolle gerät. Das Reaktordruckgefäß kann beschädigt werden, und das Notkühlsystem kann ausfallen.

Wie kam es zu dem Brand des Transformators in Japan?

Das Problem ist, dass die Definitionsmacht über die Störfälle immer beim Betreiber liegt. Alle bekannten Informationen sind durch deren Filter gegangen. Als Umweltverband kann man dazu zumeist wenig sagen.

INTERVIEW: BERNWARD JANZING