: Leser und Vorleser
AUDIO Eine Recherche im Netz: Wo kann man sich eigentlich über neue Hörbücher informieren?
VON SYLVIA PRAHL
Als Goethe davon sprach, dass die geschriebene Sprache nur ein trauriges Surrogat der gesprochenen Sprache sei, galt es als unhöflich, sich lesend in ein Buch zu vertiefen, sobald eine weitere Person im Raum war. Es wurde selbstverständlich vorgelesen. Und heute? Zumindest ist der Wunsch, sich etwas vorlesen zu lassen, ungebrochen.
Hörbücher sind beliebter denn je. Zwar werden sie rezensiert, und das Sortiment in Buchhandlungen wird immer umfangreicher, das repräsentiert aber nur einen kleinen Ausschnitt des riesigen Angebots. Für einen ersten Hinweis wäre es auch schön, einen kurzen Höreindruck zu haben.
Also auf zur Recherche ins Netz. Einen guten ersten Überblick bietet die monatliche Hörbuchbestenliste von Radio hr2 kultur (www.hr-online.de). Kurze „Klappentexte“ informieren über den Inhalt und liefern eine Begründung, warum die meist namhaften Sprecher die Juroren überzeugt haben. Hörbeispiele sind bereitgestellt. Dass Wolfgang Herrndorfs „Bilder deiner großen Liebe“ zu den besten drei des Monats Dezember gehört, wird einen Klick weiter nachvollziehbar: Die Schauspielerin Natalia Belitzki verstärkt die soghafte Wirkung des Textes durch eine atemlose und zugleich abgeklärte Lesung. In der Rubrik hr2-Hörbuchkatalog sind die Hörbücher – bei deren Produktion der hr beteiligt war – in die Kategorien Neuerscheinungen, Literatur, Sachbuch, Biografie und Kinder- und Jugend gegliedert. Von hier aus gelangt man flugs zu den Hörbuchverlagen und ist erfreut über deren Genrevielfalt.
Der Argon Verlag überzeugt nicht nur mit der genannten Herrndorf-Produktion (www.argon-verlag.de). Die Schauspieler Christiane Paul und Matthias Koeberlin dürfen sich im Szenen-einer-Ehe-Smasher „Gone Girl“ von Gillian Flynn psychotisch streiten. Und Eva Mattes liest Jane Austens „Mansfield Park“ in der ihr eigenen lädiert-aristokratischen Art, dass die englische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts geradezu mit im Zimmer sitzt.
Wie fast alle Verlage bietet der Audio Verlag seine Hörbucher auch zum mp3-Download an, gekürzt und ungekürzt (www.der-audio-verlag.de). Zusätzlich offeriert er auf seiner Website eine Fülle an Informationen zu Werk, Autoren und Sprecher. Der Testklick auf Burghart Klaußners Vortrag von „Stoner“, der „literarischen Wiederentdeckung“ der letzten Jahre, führt dazu, dass man den Roman eigentlich gar nicht mehr in Eigenregie lesen will. So mitfühlend und doch um die Unausweichlichkeit des Schicksals in Hermann Bang’schem Ausmaß wissend trägt Klaußner den Text vor.
Manche Lesungen werden mit Musik angereichert, sind aber keine Hörspielbearbeitungen. Dieser Effekt kann bereichernd, aber auch enervierend sein. Beim Anbieter Hörbuch.de, der zahllose Werke der Weltliteratur sowohl zum Kauf als auch zum kostenpflichtigen Download im Programm hat, muss der Sprecher „Anna Karenina“ gegen ein schwurbelndes Cello verteidigen.
Die Plattform Vorleser.net stellt ein breit gefächertes Angebot kostenloser Hörbucher zum Download zur Verfügung. Der Klick auf den Download-Shop führt in den Vorlesershop und damit wieder zu einer großen Hörbuchauswahl aller Verlage.
Einige Verlage haben sich auf junge Hörer spezialisiert. Zugeschnitten auf die Zielgruppe sind viele Hörspielproduktionen im Programm – und Musik. In diesem Segment steht der Lerneffekt ganz vorn. Beim Jumbo Verlag effektiv ist dabei die Reihe von Mirko Simsa besonders effektiv (www.jumbo-verlag.de). Simsa veröffentlicht dort seit einigen Jahren eine Buch-CD-Hybrid-Reihe, in der er Kindern klassische Werke auf Augenhöhe erklärt. Die Geschichten von Mozarts „Zauberflöte“, Tschaikowskys „Nussknacker“ oder seit neuestem mit „Klassik-Hits“ werden auf CD vertieft, die Musik Stück für Stück vorgespielt.
Oetinger audio hat nicht nur das gesamte Lindgren-Oeuvre und das von Ulrich Noethen zu knarzigem Leben erweckte Duo „Petterson und Findus“ im Programm, sondern auch das Kinder- und Jugendhörbuch des Jahres, „Nur 1 Tag“. Es thematisiert Leben und Sterben, und Anett Louisan verleiht der Eintagsfliege eine hoffnungsvolle Stimme. „Die Tribute von Panem“ sollten eine Alternative für die Jugendlichen darstellen, für die die Filme noch eine Spur zu brutal sind. Wer sich hier ein Hörbuch als Download kauft, hat auch die Möglichkeit, sich das Cover herunterzuladen (www.oetinger-audio.de).