: Sorry, wrong body
„Sterben für Anfänger“ von Frank Oz ist eine Studie der Peinlichkeiten
Mehr als alles anderen hassen die Briten peinliche Situationen - und deswegen können sie auch die schönsten Witze über diese machen. Die besten komödiantischen Talente der Neo-Bean-Ära (der letzte Mr.Bean-Film mit Rowan Atkinson war ja schon ein trauriger Anachronismus) sind Sascha Baron „Borat“ Cohen sowie das Duo Matt Lucas und David Walliams mit ihrer „Little Britain“ TV-Show, und diese verbindet ihre absolute Respektlosigkeit. Sie begnügen sich nicht mehr damit, dass man über ihre Szenen lacht - sie wollen, dass einem vor Erstaunen über ihre dreisten Peinlichkeiten die Kinnlade herunterfällt.
Die Komödie mit dem wie gewohnt treffenderen Originaltitel „Death at a Funeral“ wirkt auf den ersten Blick vergleichsweise harmlos, aber auch damit entspricht sie einer guten alten Tradition des britischen Kinos. In den schwarzen Komödien der Ealing Studios wie „Ladykillers“ oder „Adel verpflichtet“ wurde immer erst eine typisch englische Idylle ausgebreitet, um eine möglichst hohe Fallhöhe für die dann folgenden makabren Vorkommnisse zu schaffen. Feierlichkeiten sind beliebte Ausgangspunkte für solche Farcen, und natürlich ist „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ der Vorgänger, an dem der Film gemessen wird.
An der aufgebahrten Leiche eines Familienpatriarchen versammeln sich seine zahlreichen Hinterbliebenen - und selbst dieser Anfang ist nicht ohne Peinlichkeiten zu bewältigen, weil das Beerdigungsinstitut die falsche Leiche angeliefert hat. Daniel, einer der Söhne des Verstorbenen, organisiert die Trauerfeier und versucht eifrig, alles richtig zu machen.
Sein aus New York eingeflogener Bruder Robert ist ein erfolgreicher Autor, der lieber mit den weiblichen Trauergästen flirtet als seinem Bruder zu helfen. Die Mutter entwickelt beim ihrem großen Auftritt als trauernden Witwe Starallüren, und der griesgrämige Onkel Alfie beschimpft alle und jeden.
Man merkt schnell, dass hier eher komische Typen als komplexe Charaktere gezeichnet werden, und dass jeder erzählerische Nebenstrang in eine möglichst haarsträubende Situation münden wird. Der amerikanische Regisseur Frank Oz des ansonsten rein britischen Films hat nicht umsonst seine Karriere bei der Muppetshow angefangen (und u.a. Miss Piggy seine Stimme geliehen), und weiß genau, wie er Lacher setzten und das Absurde auf die Spitze treiben muss. Solch ein Film wie dieser ist so gut wie seine Lacher - da gibt es keine Sentimentalitäten mit romantischen Stars wie Hugh Grant und Andie MacDowell, sondern statt dessen ein Ensemble von grandios komischen Charakterschauspielern. Und durch diese wird jede Filmfigur auf der Leinwand lebendig - selbst wenn sie wie einige Nebenfiguren nur auf je eine grotesk übertriebene Eigenschaft reduziert sind .
So kommen bei der Feier einige LSD-Pillen in die falschen Hände, was dazu führt, dass einer der Gäste nackt auf dem Hausdach sitzt. Ein kleinwüchsiger Besucher, den niemand zu kennen scheint, und der droht, mit obszönen Enthüllungen über den Verstorbenen die Feier zu stören, landet dagegen als zweiter Körper im Sarg und unterbricht natürlich die Grabrede mit Klopfgeräuschen. Die Totenfeier wird immer mehr zu einer Orgie der Peinlichkeiten, und diese ist brillant geschrieben und zugleich mit Präzision und spürbarer Spielfreude inszeniert. Dass so etwas nicht einfach hinzukriegen ist, wußte schon ein berühmter britischer Schauspieler, dessen letzte, auf dem Totenbett geflüsterten Worte waren: „Sterben ist leicht! Komödie, das ist schwer!“
Wilfried Hippen