„Rollen für Scientologen? Blutsauger …“

Die Chefin der Hamburger Arbeitsgruppe Scientology hat es schwarz auf weiß: Sie darf Kinderarbeit bei Scientology geißeln und Tarnorganisationen outen. Anderen Ländern empfiehlt sie den kompromisslosen Hamburger Weg gegen die Organisation

URSULA CABERTA, 56, 1986 bis 1992 für die SPD in der Hamburger Bürgerschaft. Wollte 2005 für die WASG in den Bundestag, verließ die Partei 2007.

INTERVIEW JAN KAHLCKE

taz: Frau Caberta, Sie dürfen behaupten, Scientology-Kinder würden keine normale Kindheit erleben. Zufrieden?

Ursula Caberta: Ja, gewonnen hatte ich schon vor dem Verwaltungsgericht im April, aber jetzt hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren eingestellt.

Worum ging es?

Im Kern darum, dass ich bei Stern TV mit einer jungen Aussteigerin zu Gast war und gesagt habe, durch das Scientology-Buch „Kinder-Dianetik“ sei die Behauptung der Organisation widerlegt, Kinder hätten dort ein „ganz normales Leben“. Ich habe auch gesagt, das bei Scientology Kinderarbeit stattfindet. Dann habe ich noch die Scientology-Unterorganisation „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte“, kurz KVPM, einen „radikalen Arm der Organisation“ genannt, der nur so tut, als ginge es ihm um Missstände in der Psychiatrie.

Warum sind gerade diese Themen so sensibel?

Kinder sind immer ein sensibler Punkt. Wir beraten ja die Leute, die sich daraus lösen wollen. Da sehen wir, was Scientology mit Menschen anrichtet. Die Kinder werden für das System der Organisation erzogen und gedrillt. Die Diskussion um Kinder haben die nicht gern, denn da horcht die Gesellschaft auf.

Und die Psychiatrie-Kommission?

Die KVPM ist so ein Punkt, an dem viele ahnungslose Menschen erst einmal sagen: Warum soll man sich nicht mal mit der Situation in der Psychiatrie beschäftigen. Aber diese Selbstdarstellung täuscht darüber hinweg, dass es eigentlich darum geht, Menschen an sich zu binden.

Seit 1995 Ihre Arbeitsgruppe Scientology in der Hamburger Innenbehörde gegründet wurde, hat das damals sehr offensive Auftreten von Scientology spürbar nachgelassen. Warum?

Ein effektiver Hebel ist das Hamburger Wegerecht. Wir haben noch nie einen Aussteiger gehabt, der hinterher gesagt hätte: „Ich wollte bei Scientology eintreten.“ Die Leute werden geworben, häufig auf der Straße. Deshalb bemühen wir uns, die Straßenwerbung einzuschränken.

Auf welcher Grundlage?

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Scientology ein Gewerbebetrieb mit Gewinnabsicht ist. Als solcher brauchen Sie für die Straßenwerbung eine Sondernutzungserlaubnis. Und Gewerbe auf der Straße ist in Hamburg praktisch untersagt. In Hamburg macht Scientology das auch kaum mehr. Im Mai gab es noch mal einen Vorfall: Da waren mehrere Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen das Wegerecht aufgelaufen und Scientology hatte immer Widerspruch eingelegt. Da wurde es einem Amtsrichter zu bunt und er wollte wissen, wer eigentlich für die Verstöße verantwortlich war. Er hat eine Durchsuchung der Geschäftsräume angeordnet – und Schwupps, waren alle Widersprüche plötzlich vom Tisch.

Würden Sie den Rückgang der öffentlichen Aktivitäten von Scientology auch für Ihre Arbeit reklamieren?

Ja, natürlich. Wir haben in der Analyse der Strukturen Pionierarbeit geleistet und herausgefunden, dass es sich um einen Gewerbebetrieb handelt.

Hat Hamburgs kompromisslose Haltung dazu geführt, Scientology an andere norddeutsche Standorte zu verdrängen?

Ja. Sie können Hamburg aus Prestigegründen nicht aufgeben. Aber mit ihren Aktivitäten sind sie in die Randgebiete ausgewichen, nach Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Auch wenn kein Gebäude existiert, an dem Scientology steht: Eine Vielzahl von Scientology-Unterorganisationen und -Unternehmen hat sich im Hamburger Speckgürtel breit gemacht. Und in Garbsen bei Hannover sitzt die Deutschland-Zentrale von Applied Scholastics, der Unterorganisation, die diese ganzen Nachhilfe- und Jugendgeschichten macht.

In Hannover soll die Organisation nach einer Zentrale suchen, größer als in Berlin …

Ich weiß nicht, ob das stimmt …

Bürgermeister Weil hat gesagt, Scientology sei nicht willkommen. Was kann er tun?

Auch die Möglichkeiten des Wegerechts ausnutzen. Vielleicht auch mal eine gewerberechtliche Überprüfung probieren. Vielleicht bringt das ja ein bisschen was für die Staatskasse.

Sie haben kritisiert, Niedersachsens Verfassungsschutz beobachte Scientology nicht …

Inzwischen sagen sie dort, sie beobachteten. Aber das ist ein dehnbarer Begriff. Man kann ja Zeitung lesen …

Verlagert der Scientology-Konzern seinen Aktivitätsschwerpunkt in Norddeutschland von Hamburg nach Hannover? Immobilienmakler machten im März dieses Jahres öffentlich, dass die Organisation „Bürofläche von ca. 5.000 Quadratmetern in attraktiver Lage“ suche. Damit würde das Domizil sogar größer als die Deutschland-Zentrale in Berlin mit ihren 4.000 Quadratmetern. Die hannoversche „Mission“ würde damit im Verhältnis zur übergeordneten Norddeutschland-Zentrale erheblich aufgewertet. Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) rief Immobilienbesitzer und Makler indes dazu auf, nicht an Scientology zu verkaufen. TAZ

oder mal vorbeischauen.

Genau.

Ist Scientology aus Ihrer Sicht die gefährlichste Psycho-Sekte im Norden?

Na, erstmal ist es keine Sekte. Rabiate Methoden haben ja viele, aber meines Wissens leistet nur Scientology sich einen eigenen Geheimdienst. Aber auch ideologisch sind die absolut hardcore. Sie sind von den Innenministern völlig zu recht unter die politischen Extremisten einsortiert.

Werden Sie persönlich von Scientology angegriffen?

Ja. Kürzlich habe ich eine Aussteigerin im Verfahren um das Sorgerecht für ihre Tochter begleitet. Da hat der Scientology-Vater mir mit dem Tod gedroht. Mein Privatleben wird ausspioniert.

Der Scientologe Tom Cruise soll im Kino den Grafen Stauffenberg spielen. Haben Sie dazu eine Privatmeinung?

Auch eine dienstliche: Das geht nicht! Tom Cruise ist ein Botschafter von Scientology. Er hat die Tapferkeitsmedaille verliehen bekommen. Scientology hat Europa den Krieg erklärt, und Tapferkeitsmedaillen verleiht man im Krieg. Es gibt doch geeignete Filmrollen für Scientologen: Zum Beispiel den fiesen Blutsauger, den Cruise in „Interview mit einem Vampir“ gespielt hat …