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Archiv-Artikel

Trotz gegen Großmaulkerltum

betr.: „Warum Alice Schwarzer neuerdings für die ‚Bild‘-Zeitung wirbt. Die Alibi-Frau“ von Heide Oestreich, taz vom 16. 7. 07

Warum Alice Schwarzer die Alibi-Frau für die Bild ist, hat Heide Oestreich zu Recht kritisiert – weil Alice Schwarzer sich stumm als Model für die „Wahrheitskampagne“ der Bild nutzen lässt, wirbt sie gratis für eine Zeitung, die gar keine ist. Es galt mal als unehrenhaft, diesem Agitpropblatt für Massenverdummung durch Sport, Spiel und Sex überhaupt Interviews zu geben. Das ist lange her und Alice Schwarzer bekannt. Dass sie sich nun gar dafür hergibt, für dieses Blatt Werbung zu machen, wird sie demnächst als ironisches Zwinkern bagatellisieren und als besonders geschickte Finanzierung von drei muslimischen Mädchenprojekten durch Bild angeben. Feministinnen, die ich bei einer Umfrage nach ihrer Meinung zu Alice Schwarzer und ihrem Bild-Opportunismus befragt habe, sind nicht einmal mehr von Alice Schwarzer enttäuscht. Hätte sie nicht schon immer für Geld und Medienöffentlichkeit alles getan?

Noch immer meine ich Alice Schwarzer insbesondere vor Angriffen aus der taz in politischen Schutz nehmen zu müssen. Wenn der Kampf gegen Sexismus und Gewaltpornografie wie häufig bei der taz Kultur als antisexy banalisiert wird, während großmäulige Jungschwanzrapper in ihrem Dumpfwahn allein gelassen als geil gefeiert werden, dann weiß man, welche Rückschritte im Entertainment auch der taz zu verdanken sind.

Diesem immer wieder kehrenden Großmaulkerltum auf allen Ebenen zu trotzen, ist dank Alice Schwarzers immer wiederkehrendem Einsatz dagegen zu ihrem Markenzeichen geworden. Sie teilt, so wie zum Beispiel Joschka Fischer, gerne aus, und da im Kampf um die Spitze Rücksichten stören, sind sie auch immer wieder vorn und gefürchtet. Joschka Fischer war sicher deswegen lange Zeit der beliebteste Bild- und taz/FAZ-Politiker. Warum sich Alice Schwarzer nur mit Bild und FAZ zufriedengeben muss, um als Deutschlands beliebteste Feministin Schlagzeile zu machen, wäre eine Studie wert. Dass Alice Schwarzer aber nun das Emanzipatorische des Feminismus an die Bild verballhornt, ist so unverzeihlich wie der Verrat der 68er an 68. Bild bildet zwar nicht, aber bildet ab.

Was „Das Programm Selbstverblödung“ ist, hat Bodo Zeuner ganz großartig in der taz vom 16. 7. 07 beschrieben. Leider ist es ein Teil seiner Abschiedsvorlesung aus dem OSI und nicht nur für dieses gültig. HALINA BENDKOWSKI, Berlin