: Auf die Spur schicken
NAME: Monika Bitter ALTER: 55 TAT: Ist eine von acht Berufswahlpaten Kontakt: www.berufswahlpaten-eks-rp.de WÜRDE PREISGELD VERWENDEN FÜR: Honorar des Supervisors der Paten
Der taz-Panter für besonderes soziales und politisches Engagement wird in diesem Jahr zum dritten Mal verliehen. Es gibt eine LeserInnenwahl und eine Juryentscheidung. Am 11. August beginnt die LeserInnenwahl. Die beiden Preise werden am 15. September in Berlin verliehen. www.taz.de/panter
Panter-Kandidatin (7): Die 55-jährige Monika Bitter hilft Jugendlichen, einen Beruf zu finden
Ihr Zeugnis ist nicht gerade vielversprechend. Claudia hat gerade die 10. Klasse beendet, an der Erich Kästner-Regionalschule in Ransbach-Baumbach. Die Kleinstadt liegt im Westerwaldkreis in Rheinland-Pfalz, einer Gegend, in der der Wirtschaftsaufschwung noch nicht angekommen ist. Vor allem bei den jungen Arbeitssuchenden: Im vergangenen Jahr gab es im Westerwald 3.100 Bewerber für 1.614 Lehrstellen. An der Erich-Kästner-Schule lernen zurzeit 523 Schüler, davon 157 Migranten.
Auch für Claudia standen die Chancen nicht besonders gut. Sie hat eine Lese-Rechtschreib-Schwäche und musste eine Klasse wiederholen. Doch bereits im letzten Schuljahr hat sie sich auf die Zeit nach der Schule vorbereitet. „Ich habe mich regelmäßig mit meiner Berufswahlpatin getroffen“, erklärt sie in der Aula ihrer Schule. „Wir haben dann geübt, wie man Bewerbungen schreibt, und auch Vorstellungsgespräche trainiert.“ Außerdem hätten sie sich über ihre Berufswünsche und Fähigkeiten unterhalten und nach Lehrstellen gesucht. „Frau Bitter hat mich aufgemuntert und mir enorm geholfen“, sagt Claudia, die gerade in einem Supermarkt zur Probe arbeitet und dort gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz als Einzelhandelskauffrau hat.
Claudias Berufswahlpatin ist Monika Bitter. Sie ist eine von acht Berufswahlpaten, die seit 2006 Haupt- und Realschulabgänger der Erich-Kästner-Regionalschule betreuen, um sie fit für eine Lehrstelle zu machen. Wie das genau aussieht, beschreibt Monika Bitter in ihrem Wohnzimmer bei einer Schüssel selbstgemachten Wurstsalats. „Ich koche für mein Leben gern“, sagt sie. Aber nicht nur in der Küche kann sie zupacken, das merkt man sofort. Die 55-Jährige weist eindringlich, fast streng, auf die verheerende Situation der Schulabgänger hin – und auf die Notwendigkeit, ihnen zur Seite zu stehen. „In Rheinland-Pfalz sind über 3.500 Jugendliche ohne Lehrstelle“, beklagt sie. „Und hier bei uns im Westerwald, einer ländlichen Gegend, ist es besonders schwierig, einen Ausbildungsplatz zu finden.“
Deshalb hat Franz Benz, ein Lehrer der Erich-Kästner-Schule, im vergangenen Jahr die Berufswahlpaten gegründet. „Als ich davon gehört habe, war ich sofort dabei“, sagt Monika Bitter. Zurzeit betreut sie vier Schülerinnen, nach den Sommerferien werden es insgesamt zehn sein. Wichtig sei zu Beginn, dass sich die jungen Menschen überhaupt darüber klar werden, was sie wollen und was sie können. Hierzu führt Monika Bitter lange Gespräche mit den Jugendlichen, über ihre Interessen, ihre Stärken und Schwächen. „Da kann es schon von Bedeutung für den Berufswunsch sein, ob jemand im Sportverein ist, einen Hund hat oder sich für Computerspiele begeistert“, erklärt sie. Neben der Suche nach möglichen Berufen recherchiert Monika Bitter – genauso wie die anderen sieben Paten – freie Ausbildungsplätze, sucht Adressen von Lehrstellenanbietern heraus, geht mit den Schülern ins Berufsinformationszentrum. „Außerdem üben wir das Schreiben von Bewerbungen und simulieren Bewerbungsgespräche“, sagt Monika Bitter und erzählt von einem jungen Mann, der in einem solchen gestellten Bewerbungsgespräch nach seiner Motivation für den Job gefragt wurde. „Da er ein guter Fußballer war, antwortete er, dass er unbedingt eine sitzende Tätigkeit ausüben wolle, damit er abends im Training fit ist“, erzählt Monika Bitter und fügt hinzu: „Gut, dass er das nur uns erzählt hat, im richtigen Bewerbungsgespräch wäre an diesem Punkt Schluss gewesen.“
Monika Bitter sagt, dass sie sich gut in die Schüler hineinversetzen könne. Sie sei selbst Hauptschülerin gewesen und habe sich von unten hoch gearbeitet. Die gebürtige Berlinerin ist gelernte Arzthelferin, arbeitete jedoch lange als Sachbearbeiterin bei einem großen IT-Unternehmen. Die Berufswahlpaten kommen aus ganz unterschiedlichen Branchen: Rentner, Studenten, eine Englischlehrerin, ein Rechtsanwalt – alle wollen sie den Jugendlichen zu einer besseren Zukunft verhelfen. Dazu trifft sich die Gruppe einmal im Monat mit einem Sozialpädagogen und bespricht Fragen und Probleme, die während der Schüler-Betreuung auftreten. „Zum Beispiel diskutieren wir, wie wir verhindern können, dass die Jugendlichen abspringen oder wie wir sie noch besser fördern können“, erklärt Monika Bitter. Diese Supervision verursacht im Grunde die einzigen Kosten des Projekts – der Sozialpädagoge erhält ein Honorar. Das restliche Engagement, die Betreuung der Schüler in mehreren Stunden pro Woche, ist ehrenamtlich.
Die Bilanz der Berufswahlpaten kann sich bereits sehen lassen: Im ersten Jahr wurden zwölf Schüler betreut – davon haben vier einen Ausbildungsplatz gefunden, drei Ausbildungsverträge sowie zwei Praktikumsplätze sind in Aussicht, und eine Schülerin macht nun ein freiwilliges soziales Jahr.
Franz Benz, der Erfinder des Projekts, der zum Gespräch hinzugekommen ist, erzählt, dass er ähnliche Patenprojekte aus Köln und Limburg kannte. „Ich wollte einfach etwas unternehmen und verhindern, dass die Regionalschüler weiter auf das Abstellgleis geschoben werden“, sagt er. „Täglich erfahren die Jugendlichen, dass sie nichts können, dass sie nichts wert sind – und am Ende stehen sie auf der Straße.“ Er selbst kümmert sich um die Organisation des Patenprojektes und lobt das Engagement aller Paten.
Monika Bitter betont, dass sie nur eine von acht ist und sie sich lediglich als Repräsentantin für alle porträtieren lasse. Nicht nur ihr Einsatz für die Schüler ist immens, sondern eben auch ihr Gemeinschaftssinn. JUTTA HEESS