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Archiv-Artikel

„Für die Ewigkeit hält gar nichts“

Der Mensch ist seiner Psychologie nach ein Mauerbauer. Die älteste bekannte Grenzmauer datiert aus dem dritten Jahrtausend vor Christus – das heißt, es gibt seit über 4.000 Jahren Mauern.

Diese erste Mauer, die Syrische Mauer, war mehr als 220 Kilometer lang und aus Basalt und Kalkstein gebaut. Ihr Bau hat für die damalige Zeit eine irrsinnige Logistik verlangt und war unfassbar teuer. Steine mussten transportiert und der Bau zwischen mehreren syrischen Stadtstaaten koordiniert werden. Es ist faszinierend, dass die Menschen schon damals keine Mühen gescheut haben, um Grenzen zu errichten.

Beim Bau der Syrischen Mauer ging es um wirtschaftliche und politische Gründe. Sie sollte Nomaden aus einem Gebiet fernhalten, in dem sesshafte Bauern lebten. Gleichzeitig waren die Nomaden Menschen mit einer ganz anderen Lebensart, einem anderen kulturellen Hintergrund: Sie haben ein politisch stabiles Gefüge gestört, als sie dort aufgetaucht sind.

Ganz ähnliche Konstellationen gibt es wohl auch heute noch. Die Motive des Mauerbauens sind über diese 4.000 Jahre hinweg gleich geblieben, wenn auch mit vielen, vielen Nuancen. Aber fast alle Mauern der Geschichte besaßen Durchgänge. Der Limes der Römer etwa oder auch die Chinesische Mauer waren nicht nur geschlossen. Die Parteien innerhalb und außerhalb der Mauern haben oft voneinander profitiert, zum Beispiel, wenn sie Metallbearbeitungstechniken austauschten. Rund um den römischen Limes waren sogar so viele Kontakte vorhanden, dass sich an der Grenze eine Mischkultur entwickelt hat. Man kann Menschen nicht über ein großes Territorium voneinander trennen. Die deutsche Mauer war in dieser Hinsicht ein Sonderfall. Sie war außergewöhnlich undurchlässig. Und während die meisten Mauern dazu gedient haben, Menschen fernzuhalten, sollte sie Menschen daran hindern, das Gebiet zu verlassen. Der häufigste Grund für einen Mauerfall ist übrigens nicht die Tatsache, dass die jeweilige Mauer zerstört worden wäre, sondern dass die Trennung der Territorien ihren Sinn verlor. Alle Mauerbauer haben gedacht, ihre Mauer hielte für die Ewigkeit.

Aber mit historischer Distanz können wir sagen: Dynastien oder Reiche halten mehr oder minder lang. Für die Ewigkeit … Nein, da geht gar nichts.

Astrid Nunn, 54, ist Professorin für Vorderasiatische Archäologie an der Universität Würzburg. 2009 hat sie das Buch „Mauern als Grenzen“ herausgegeben.