: Hoffmanns zweiter Streich
Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann droht, einem Friedenszentrum Mittel zu streichen. Die Opposition sieht nach dem Fall El Kurdi schon den zweiten Angriff auf die Meinungsfreiheit
Im April 2007 wurde bekannt, dass Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) die Kritik des Satirikers und taz-Kolumnisten Hartmut El Kurdi nicht mehr hören mochte. Kurzerhand verbot er den Mitarbeitern der Stadt, an Veranstaltungen mit El Kurdi teilzunehmen, und kündigte an, diese würden nicht mehr finanziell gefördert. Opposition, der Deutsche Kulturrat und die überregionale Presse von der Zeit bis zum NDR-Magazin „Extra Drei“ werteten das als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Zwar versuchte Hoffmann daraufhin, den Boykott mit feinsinnigen Unterscheidungen wegzuerklären, im Kern aber blieb er bestehen. KC
von KARIN CHRISTMANN
In Braunschweig ist das Thema Meinungsfreiheit wieder auf der Tagesordnung. Gerade erst vor wenigen Wochen hatte Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) mit seinem rabiaten Vorgehen gegen den Künstler Hartmut El Kurdi bundesweit für negative Reaktionen gesorgt (siehe Kasten). Jetzt drohte er während einer Ratssitzung dem Braunschweiger Friedenszentrum, es werde keine städtischen Gelder mehr erhalten und die Stadtverwaltung keine Kontakte mehr zu ihm pflegen, falls es sich nicht von einer Bürgeranfrage distanziere.
Inhalt dieser Anfrage war die Patenschaft, die die Stadt Braunschweig für eine Korvette der Bundesmarine übernommen hat. Für Elke Almut Dieter, die die Bürgeranfrage gestellt hat, ist dieses Schiff Teil des Umbaus der Bundeswehr in eine Angriffsarmee. Die Stadt Braunschweig, schrieb sie in der Begründung, unterstütze mit ihrer Patenschaft ein Instrument, das zu völkerrechtswidrigen Angriffen verwendet werden könne. Oberbürgermeister Hoffmann kritisiert dies als „Diffamierung der Bundesorgane“ und forderte das Braunschweiger Friedenszentrum auf, sich zu distanzieren.
Gestellt hatte Dieter ihre Anfrage als Privatperson, Hoffmann bezog sich in einer Erwiderung aber auch noch auf einen offenen Brief, den sie im März 2007 an ihn gerichtet und auch im Namen des Braunschweiger Friedensbündnisses unterzeichnet hatte. Lediglich als Postadresse war damals das Friedenszentrum genannt worden, in dem das Friedensbündnis Mitglied ist, denn es hat keine eigenen Büroräume. Das Zentrum fühlt sich deshalb für die Äußerungen nicht verantwortlich, will sich aber auch inhaltlich von dem Brief nicht distanzieren. „Das fällt in den Bereich der freien Meinungsäußerung“, sagt Frieder Schöbel, der Geschäftsführer des Zentrums. Dieses bekomme ohnehin kaum Mittel, die die Stadt streichen könne. In diesem Jahr waren es Schöbel zufolge 200 Euro, für ein Friedensfest im September sind außerdem 1.200 Euro in Aussicht gestellt. Die Stadtverwaltung hingegen spricht von insgesamt 900 Euro für das Jahr 2007. Auch die Ankündigung, Hoffmann und die Stadtverwaltung würden sich nicht mehr mit dem Friedenszentrum an einen Tisch setzen, lässt Schöbel kalt: „Dort hat Herr Hoffmann noch nie gesessen.“
Unterstützung für seine Linie fand der OB gestern bei der FDP-Fraktion im Rat, die zu seiner Regierungsmehrheit gehört. Ratsfrau Juliane Lehmann sagte, Dieters Äußerungen rechtfertigten Konsequenzen, wenn sich das Zentrum nicht distanziere. Anders die Reaktion von Grünen und Linkspartei. „Ich nenne das mal die ‚El Kurdi‘-Reaktion“, sagte der grüne Fraktionsvorsitzende Holger Herlitschke. „Wenn es zu Äußerungen kommt, die dem Weltbild von Herrn Dr. Hoffmann stark widersprechen, droht er oft mit überzogenen Sanktionsmaßnahmen.“ Auch Udo Sommerfeld, Ratsherr der Linkspartei, setzte die Vorkommnisse in eine Reihe mit Hoffmanns Vorgehen gegen Hartmut El Kurdi.
Dieser selbst erkannte Hoffmanns Versuche wieder, „mit Drohungen Politik zu machen“. El Kurdi: „Wenn Kritik geäußert wird, entgleist er.“ Als der OB für sein Vorgehen gegen den Autor immer harschere Kritik hatte einstecken müssen, ruderte er halbherzig zurück. Gerne stimmte er einem Antrag der Ratsopposition zu, in dem es hieß: „Ein Eingriff in die grundgesetzlich verbriefte Kultur- und Meinungsfreiheit findet nicht statt.“ Das sieht Elke Almut Dieter angesichts der jüngsten Vorkommnisse anders. „Meinungsfreiheit“, sagt sie, „wird hier in Braunschweig ganz klein geschrieben.“