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Archiv-Artikel

Pistorius-Prozess geht in die zweite Runde

SÜDAFRIKA Richterin Masipa lässt ein Berufungsverfahren gegen den Sportler zu. Darin wird geprüft, ob es bei dem Tod seiner Freundin um Totschlag oder Mord ging. Die Höchststrafe wäre 25 Jahre Haft

JOHANNESBURG taz | Die südafrikanische Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch im Gericht in Pretoria einen Teilsieg errungen. Richterin Thokozile Masipa gab dem Antrag des Staates auf Berufung des Urteils für Sportstar Oscar Pistorius statt. Sie erlaubte damit eine Überprüfung ihrer eigenen Rechtsprechung. Sie hatte im Oktober nach einem weltweit Aufsehen erregenden Gerichtsprozess den paraolympischen Läufer wegen Totschlag zu 5 Jahren Haft verurteilt. Jetzt wird der Fall vor dem obersten Berufungsgericht wieder aufgerollt.

Das Gericht muss nun prüfen, ob das Gesetz bei dem Urteil wegen Totschlag korrekt angewandt worden ist. Masipa hatte den 28-jährigen Sportstar von der Anklage wegen vorsätzlichen Mordes freigesprochen. Allerdings ließ sie keine Berufung für die von ihr verhängte fünfjährige Haftstrafe zu.

Die Richterin hatte Pistorius wegen Totschlag an seiner Freundin Reeva Steenkamp am Valentinstag 2013 zu 5 Jahren Haft verurteilt. Pistorius sitzt derzeit seine Strafe in einem Gefängnis in Pretoria ab. Er kann jedoch bei guter Führung nach zehn Monaten wieder entlassen und unter Hausarrest gestellt werden.

Die Staatsanwaltschaft musste im Oktober eine Niederlage im Prozess hinnehmen. Sie hatte ein höheres Strafmaß trotz des mildernden Schuldspruchs wegen Totschlag gefordert. Staatsanwalt Gerrie Nel hatte bei der Anhörung des Berufungsantrags am Dienstag das von der Richterin verhängte Strafmaß von 5 Jahren als „schockierend unangemessen“ bezeichnet.

Nel hatte während des Prozesses argumentiert, dass Pistorius mit vier Schüssen durch die geschlossene Badezimmertür seine dahinter hockende Freundin mit Absicht getötet habe. Richterin Masipa wich von der Mordanklage ab, da sie die Beweislage für eine vorsätzliche Tötung für nicht ausreichend hielt. Pistorius sei sich den Konsequenzen seiner Tat nicht eindeutig bewusst gewesen. Er hatte behauptet, er fühle sich von einem Einbrecher bedroht.

Nun kann sich für den ehemaligen Liebling der südafrikanischen Sportwelt die Situation drastisch ändern. Zwar kann das Berufungsgericht auch eine geringere Strafe verhängen, aber auch den Vorfall wieder wie ursprünglich als Mordanklage einstufen. Das würde bedeuten, dass Pistorius eine höhere Gefängnisstrafe für Mord an dem Model Reeva Steenkamp erhält. Die Staatsanwaltschaft hatte mindestens 15 Jahre Haft gefordert. MARTINA SCHWIKOWSKI