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Archiv-Artikel

The Purple Rose of Montmartre

FRANKOPHIL In „Midnight in Paris“ macht sich Woody Allen über seine eigene Nostalgie lustig und lässt sein alter Ego die berühmten Amerikaner im Paris der 20er treffen

So viele Lacher hatte schon lange kein Film von Woody Allen mehr, weil die Anachronismen der surrealen Situation genau seinem Humor entsprechen

VON WILFRIED HIPPEN

Bunuel versteht es nicht: Warum können die Leute nach einer Abendgesellschaft den Raum nicht verlassen ? Warum gehen sie nicht einfach durch die Tür ins Freie? Da gibt ihm jemand die Grundidee für „Der Würgeengel“, einen seiner berühmtesten Filme, und er will nichts davon hören. Allerdings ist es für Gil auch einfach, dem großen Anarchisten des Kinos Ratschläge zu erteilen, denn er kommt aus unseren Zeiten und Bunuel ist in den 20er Jahren gerade kurz davor, seinen ersten Film „Ein andalusischer Hund“ zu drehen. Andererseits hat der Stammtisch der Surrealisten, an dem Bunuel neben Salvadore Dali und André Breton sitzt, keinerlei Schwierigkeiten damit, Gils Anwesenheit an ihrem Tisch zu begreifen: „Natürlich, Sie kommen aus der Zukunft und wir existieren in Ihrer Vergangenheit. Was ist daran so ungewöhnlich?“

All jene, die Woody Allens „The Purple Rose of Cairo“ kennen, könnten die gleiche Frage stellen, denn dort hatte er schon mit der gleichen Grundidee gearbeitet: Ein Mensch von heute wünscht sich in seine Traumwelt, und flup wird er durch die Magie des Kinos in sie hineinversetzt. Damals war es das graue Mäuschen Mia Farrow, das sich vor dem tristen Eheleben in die elegante Welt der Filmkomödien der 30er Jahre flüchtete. Heute ist Allens alter Ego Gil, ein romantischer Traumtänzer, der statt banaler, aber gut bezahlter Drehbücher für Hollywood lieber den großen amerikanischen Roman schreiben würde, und für den die goldene Zeit die 20er Jahre in Paris mit ihrer amerikanischen Künstlerkolonie sind.

Gil ist mit seiner Verlobten Ines als Tourist in der Stadt, aber die geht lieber shoppen als nostalgisch mit Gil durch die Stadt zu flanieren. So spaziert er nachts alleine durch die Straßen, eine Glocke schlägt Mitternacht, aus dem Dunkeln taucht plötzlich ein altes Auto auf und die Insassen laden Gil ein, mit ihnen feiern zu gehen und schon ist er in Gesellschaft seiner Helden Hemingway, Fitzgerald und T.C Elliot, der damals noch schlicht Tom genannt wurde. So schön einfach macht es sich Allen und den Hinweis auf Bunuels „Würgeengel“, der ja ähnlich lapidar eine fantastische Situation einfach behauptet, gibt er wohl nicht nur wegen des Lachers.

So viele Lacher wie dieser hatte schon lange kein Film von Woody Allen mehr, weil die Anachronismen der Situation genau seinem Humor entsprechen. Adrien Brody ist mit seiner Fixierung auf Rhinozerosse ein sehr komischer Dali und Kathy Bates droht allen anderen die Show zu stehlen, denn als Gertude Stein herrscht sie mit einer absolut glaubwürdigen Autorität über die Künstlergemeinschaft. Bei einigen Bezügen übertreibt es Allen, der ja immer auch ein Kultursnob war, denn wer weiß schon, dass Gary Grants Geburtsnamen Archibald Leach ist, und dass er im Paris der 20er Jahre seine guten Manieren lernte?

Die Rolle hat sich im Grunde wie so oft Allen selber auf den Leib geschrieben, und Owen Wilson muss wie schon viele Darsteller vor ihm im Grunde den Woody spielen. Dies tut er besser als die meisten seiner Vorgänger, weil er die allzu typischen Manierismen vermeidet (an denen etwa Kenneth Branagh in „Celebrity“ scheiterte), und immer auch ein wenig gegen das Vorbild anzuspielen scheint. So bringt er eine sympathische Naivität in die Rolle und so glücklich haben die Augen von Allen nie geleuchtet.