: Tofuwürstchen und Bier nach Mitternacht
Kaum war das neue Ladenschlussgesetz beschlossen, setzte der Sparmarkt in der Gastfeldstraße es konsequent um. Shoppen rund um die Uhr heißt es seitdem, nur sonntags ist geschlossen. Genutzt wird das „Sonderangebot“ vor allem von jungen Leuten, die nach der Disco Süßigkeiten brauchen – oder denen auf der Party das Bier ausgeht
Der Sparmarkt an der Gastfeldstraße ist nicht nur wegen seiner Öffnungszeiten etwas Besonderes. Neben zu erwartendem Supermarktsortiment gibt es eine ungewöhnlich hohe Auswahl an Bioprodukten, auch Bestellungen werden angenommen. Ladenbesitzer Björn Harste schreibt außerdem auf www.shopblogger.de über Neuerungen und anderes. Beispielsweise unter der Rubrik „Bösewichte“ über die „beiden Heranwachsenden, die hier anscheinend ständig Ferrero-Maxi-King im Laden gefressen haben“. ast
Bier, Süßigkeiten, Tofuwürstchen, Chips, Bier und noch einmal Bier – die Produkte auf dem Fließband passen zur Uhrzeit, zu der sie gekauft werden. Es ist zwei Uhr nachts im Sparmarkt Björn Harste in der Neustadt, als einer von zwei Bremer Supermärkten hat er seit kurzem von Montag bis Samstag 24 Stunden geöffnet. Das neue Ladenschlussgesetz macht es möglich. An diesem frühen Samstagmorgen sitzen gegenüber des Ladens in der Gastfeldstraße Leute in einem Hauseingang und trinken ihr Bier, ab und an kommen Radfahrer vorbei. Drinnen beraten zwei junge Männer, welche Wurst sie wählen sollen. An der Kasse stehen fünf Kunden an, ein Mann eilt noch einmal in den hinteren Teil des Ladens. Er hat ein Bier vergessen.
„Total praktisch“, findet ein Endzwanziger die Öffnungszeiten, „da kann ich mir nachts noch was zum Naschen kaufen“. Er kommt gerade aus der Diskothek „Stubu“ und hält eine Tüte Katjes „Euromünzen“ in der Hand. Dass für seine nächtlichen Süßigkeitengelüste andere nachts arbeiten müssen, findet er nicht so tragisch. „Da werden neue Leute extra eingestellt“, glaubt er. „Und außerdem sehen sie hier zufriedener aus als in anderen Läden, die nachts schließen.“
Die Kassierin lächelt, wenn die Kunden wissen wollen, wie ihr die Nachtschicht gefällt. Die Frage stellen ihr viele Einkäufer. Nur der Zeitung darf sie dazu nichts sagen. Das habe der Chef verboten. Der hat augenscheinlich auch keine große Lust, sich zu dieser Uhrzeit zu dem Thema zu äußern. Er sei müde, entschuldigt er sich, „ich habe den ganzen Tag gearbeitet“. Aber darüber wolle er sich nicht beschweren, er habe ja selbst entschieden, nachts zu öffnen.
Auch der Mitarbeiter in der Leergutannahme kann die Aufregung nicht nachvollziehen. In anderen Ländern sei es ganz normal, dass die Läden 24 Stunden geöffnet sind, sagt er. Einen Unterschied zum Einkaufen bei Tageslicht sieht er nicht. „Natürlich kann man nachts genauso sein Leergut abgeben wie sonst auch.“
Vor dem Geschäft unterhält sich eine Gruppe von jungen Leuten über die neuen Öffnungszeiten. „Wir haben hier neulich nachts um zwei Brot gekauft. Einfach so!“ sagt eine etwa 30-jährige Frau. Auf ihrem Einkaufswagen türmen sich drei Bierkästen, die sie als Nachschub für eine schlecht organisierte Party gekauft hat. Auf der anderen Straßenseite radelt ein älteres Paar vorbei. Er vorneweg, sie hinterher: „Guck mal!“, ruft der Mann aufgeregt. „Ja, da kannst du jetzt noch einkaufen“, kommt es gelassen zurück.
Ein junger Mann verlässt die Diskussionsrunde vor dem Supermarkt. „Das ist eine Ausweitung des Kapitalismus! Unmöglich, solche Öffnungszeiten!“, ruft er. Und hält dabei seine gerade erworbene Bierflasche in die Höhe.
Anna Steffen