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Archiv-Artikel

Cooles Scheitern

Der Welt-Astra-Tag und das Duckstein-Festival vermarkten an diesem Wochenende zwei Biermarken. Und geben Aufschluss darüber, wie man in Hamburg gerne verliert

Hamburg hat ein eigenartiges Verhältnis zum Verlieren. Ganz anders als München, wo man das Verlieren einfach gerne bleiben lässt. In Hamburg ist es vielmehr so, dass das Verlieren unter coolen Innenstadtbewohnern als positive Style-Kompetenz gewertet wird. Das Verlieren ist in Hamburg Teil eines hippen Lebensgefühls. Die Band Tocotronic hat dem ihre neue Platte „Kapitulation“ gewidmet – es geht um das Aufgeben als Mittel zum Glück.

Jenseits der Kunst gibt es in Hamburg ein Scheitern für alle in Gestalt des Welt-Astra-Tages. Der findet an diesem Wochenende an den Hamburger Landungsbrücken statt und ist nichts anderes als ein kostenloses Rockfestival mit Astra-Massenbesäufnis. Am Samstag spielen dort unter anderem die Punk-Rock-Bands Gods of Blitz und die Donots. Am Sonntag kommt die Party-Band von Sweety Glitter.

Astra verkauft sich als Anti-Premium-Bier in der dickbauchigen Flasche, von den Fans als Knolle oder Handgranate bezeichnet. Astra gibt‘s fast nur in Hamburg und dort oft in Zusammenhängen mit dem FC St. Pauli, von dem Astra sein linkes Image hat. Nüchtern betrachtet haben die Marketing-Strategen mit einem weltweiten Gedenktag eines lokalen Gebräus alle Möglichkeiten der Ironie ausgeschöpft. Nur der Hinweis auf das „riesige Katerfrühstück am Sonntag“ klingt böse konkret.

Astra wird gebraut von der Holsten-Brauerei, und die kokettiert nicht nur mit dem Verlieren. Deswegen gibt es parallel zum Welt-Astra-Tag das Duckstein-Festival auf der Fleetinsel in Hamburg, eine weitere Biermarke aus dem Hause Holsten. Duckstein ist das Gegenteil von Astra: Premium, in Gaststätten meist vom Fass gezapft und in ganz Norddeutschland erhältlich. Duckstein ist so Premium, dass auf dem kostenlosen Ducksteinfestival am Samstag eine Cocktailshow von Lutz & Moritz gezeigt werden wird. Außerdem gibt es dezidiert weichgespülten deutschen Soul von Indra Afia und am Sonntag Jazz und Pop mit Anna Depenbusch.

Nach dem Wochenende wird das Duckstein-Festival in Lübeck, Kiel und Binz / Rügen gastieren. Es ist die Premium-Geschichte, mit der Hamburg über die Stadtgrenzen hinauszieht. Verkatert aber bleibt man exklusiv unter sich. KLAUS IRLER