: Nix Exotisches
MUT Frau, Mann, beides, nichts – egal: Anja Weber hat Trans*menschen bei der Arbeit fotografiert
Den Winter aufgenommen. In anderer Leute Alltag gewesen und ihre Berufe gesehen. Vielfalt wollte sie zeigen, Individuen, die früher Frau waren und heute Mann sind oder umgekehrt oder beides oder nichts davon. Dass niemand urteilt, „so sieht also ein Trans*mensch aus“, war Anja Weber am wichtigsten an jenem Projekt. Seit 1998 fotografiert sie für die taz; diesmal fotografierte sie im Auftrag des Berliner Senats. Es gab Studien und Umfragen und schließlich den Wunsch, die „Situation transgeschlechtlicher Menschen im Bereich Arbeit und Beruf“ zu verbessern, denn die Ergebnisse überraschten nicht, jedenfalls nicht positiv: Wer Trans* ist, wird selten bei Bewerbungen berücksichtigt, verliert oft den Job und findet sehr oft keinen nächsten.
„Gelebte Utopie“ nennt Anja Weber deshalb ihre Bilder, und alle, die man auf ihnen sieht, Martina, Carlo, Jasco, Mandy und Julia und Skyler, die nennt sie „fast schon so was wie Ausnahmen“: Sie haben Arbeit, obwohl sie Trans* sind. Menschen, wegen denen viele schnell aggressiv würden. Weil die Zuordnung fehlt, das Gewohnte. Eine saubere Trennung, der korrekte Artikel. „Die“ oder „der“. Stattdessen die Frage: Was bist du eigentlich?
Mandy Günther, 45: die mit dem rosa Regenschirm vor dem Reststück Berliner Mauer. Stadtführerin, kennt sich aus mit Kaltem Krieg. Sie hat 2008 das Bundespresseamt verklagt, weil man ihr eines Morgens die Anstellung nahm. Eines Morgens, so erzählt sie das, wollte sie sich nicht mehr dauernd umziehen. Als Frau, als Mann, als Frau. Sondern einfach nur noch anziehen.
Martina Stübner, 45: Kraftfahrerin bei der Havel-Express GmbH, um 23 Uhr beginnt ihre Schicht. Sie war „allein unter Typen“, als sie sie besuchte, sagt Anja Weber. Wie beiläufig scheint sie ihr vor die Kamera gerutscht, als wäre kurz zum Gruß die Scheibe runtergekurbelt worden. Ein Trugschluss, für den man gut vier Stunden fotografiert, Lampen ab- und aufbaut, Perspektiven sucht und ändert. Und am Ende, sagt Weber, sieht sie einem Porträt doch an, wie viel Nähe da war, zwischen ihr und den Leuten, mit denen sie die Stunden geteilt hat.
Skyler Braeden Fox, 35: Im Winter aufgenommen, rechts auf dieser Seite, er trägt gerade Wirsing. Skyler ist alles, Geschichtenerzähler, Filmemacher, Rapper, nebenher verkauft er im Bioladen. Es dauerte, bis er „na gut“ sagte: „Machen wir das.“ Öffentlich gesehen werden, als Trans*. In Ausstellungen, der Zeitung. Das kann dich was kosten. Du kämpfst gegen das Stigma und gibst dich dem Stigma frei.
Eine Doktorandin, die Anja Weber gleich zugesagt hatte, die gern Modell stehen wollte, erhielt das Einverständnis der Universität nicht. „Schadet deiner Karriere“, fand ihr Doktorvater.
Den Freund, der straffällige Jugendliche betreut, konnte Anja Weber nicht fragen. „Weil die nicht wissen, dass er Trans* ist.“ Wüssten sie darum, sei jenes Wissen eine Bedrohung, sagt sie, „ein Porträt ist eine Kollaboration“ – und dass wiederum einige, die das erste Mal auf jene Bilder schauten, über eigene Vorurteile stolperten: wie ruhig doch alle darauf wirken. So selbstbewusst.
ANNABELLE SEUBERT
■ Ausstellungen: Die Fotoreihe zu „Trans* in Arbeit“ ist noch am Samstag, dem 13. Dezember, im SchwuZ und bis 21. Dezember im TrIQ in Berlin zu sehen
■ Infos: www.anjaweber.com und www.berlin.de/lb/ads/gglw/tia/
Julia Ehrt, 37: wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mathematik der Humboldt-Universität Berlin