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Archiv-Artikel

Wenn die Rose auf Ladino erblüht

WELTMUSIK Musizieren als Ausdruck gegenseitiger Achtung: Mit einem Konzert in der Werkstatt der Kulturen startete die iranisch-israelische Band Sistanagila am Freitag ihre Crowdfunding-Kampagne

Yuval Halpern wählt bekannte Lieder wie das Friedensgebet „Shalom Alechem“ oder „Hava Nagila“ aus

VON FRANZISKA BUHRE

Es ist ein Gewitter in wenig mehr als Zimmerlautstärke, das die Aufmerksamkeit unweigerlich auf sich lenkt: Finger, die einzeln oder im Verbund herunterprasseln auf die lederne Oberfläche der persischen Handtrommel Tombak, die in voller Länge darauf vibrieren oder nur mit den Kuppen prägnante Rhythmen anschlagen.

Der Perkussionist Jawad Salkhordeh bringt die Bandbreite seiner Fingerfertigkeit auf der persischen Rahmentrommel mit würdevoller Präsenz zur Geltung. Er und sein iranischer Landsmann, der Gitarrist Hemad Darabi, bilden den rhythmisch-melodischen Nukleus der Band Sistanagila. Der Name vermählt die iranische Provinz Sistan mit dem hebräischen Volkslied „Hava Nagila“, und so bezeichnet die Band ihren Ansatz als musikalische Affäre zwischen den beiden offiziell verfeindeten Ländern. Yuval Halpern ist künstlerischer Leiter des derzeit fünfköpfigen Ensembles und einer der beiden israelischen Musiker.

Am Freitag führt er in der Werkstatt der Kulturen einladend durchs Programm und erhebt in eigenen Kompositionen und Arrangements traditioneller weltlicher und geistlicher Lieder aus dem Iran und Israel seine Stimme. Im Duett mit dem Pianisten Ido Spak stimmt er einen Klassiker des sephardischen Liedguts an, die schmelzende Romanze „La Rosa Enflorese“, zu Deutsch „Die Rose erblüht“. Sie ist in Ladino verfasst, dem Spanisch der sephardischen Juden, die einst von der Iberischen Halbinsel vertrieben wurden und ihre Traditionen in die des Balkans und des Nahen Ostens einflochten.

„Sephardische Musik ist uns näher als zum Beispiel Klezmer, weil sie arabische Einflüsse widerspiegelt“, erzählt Halpern im Interview. „Jawad und Hemad sind mit ihr eher vertraut als ich mit meinem Hintergrund in der Neuen Musik und der Popmusik.“

Sistanagila sind für sich genommen schon ein Schmelztiegel verschiedener musikalischer Sprachen mit dem Mut zum Experiment. So erklingt Johanna Hessenbergs Tenorsaxofon mal wie eine Klarinette, mal lautmalerisch warm als Gegengewicht zu Perkussion, Gitarre und Klavier. Halpern wählt bekannte Lieder wie das Friedensgebet „Shalom Alechem“ oder eben „Hava Nagila“ für die Programme aus; in den eigenen Stücken mit persischen oder hebräischen Titeln konzentriert er sich lieber auf Silbengesang als auf die Intonation von Texten.

„Wenn ich einen Text habe, denke ich sofort an die Liedform. Als Komponist ist mein Denken aber melodisch geprägt. Auch meine neuen Stücke funktionieren ohne das Singen von Wörtern“, erklärt Halpern. Noch wirken seine stimmlichen Fähigkeiten in beiden Formen etwas begrenzt, etwa wenn er dem Flamencogitarrenspiel von Darabi kein kraftvolles Gegenüber bietet. Weil der Gesang die meisten Stücke strukturiert, können die anderen Instrumente ihren Spielraum nicht völlig ausschöpfen. Obwohl Improvisationen, wie Halpern in seinen Moderationen betont, durchaus ein Mittel sind, die Möglichkeiten der Lieder individuell auszuloten.

Ido Spak, der mit dem Rücken zum Publikum am Klavier sitzt, spielt ein Solo über ein traditionelles syrisches Thema. Seine Schultern bewegt er dabei mehr als die Hände auf den Tasten und nutzt ausgiebig das Tonhaltepedal. Im zweiten Set führen Salkhordeh und Darabi dann ein lebendiges Zwiegespräch unter der Überschrift „Iranischer Flamenco“.

Der iranische Informatiker Babak Shafian hat sie von der Idee überzeugt, gemeinsam mit Israelis Musik zu machen. Er selbst spielt kein Instrument, wollte vor zwei Jahren aber eine Band ins Leben rufen, die die Begegnung auf Augenhöhe spielend erfahrbar macht. Sistanagila verstehen sich darum nicht als politisch, sondern als Ausdruck gegenseitiger Achtung.

Um dieses Profil endlich mit einer Albumveröffentlichung zu rahmen, haben Halpern und Shafian kürzlich eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Sie werben um Spenden für die Aufnahme und Produktion im Tonstudio Lowswing, das schon eine ganze Reihe namhafter Künstler aus den Bereichen Jazz, Weltmusik und Elektro betreut hat. Denn Sistanagila möchten nicht weniger als „die Menschen auf der ganzen Welt erreichen“, wie sie auf der Spendenplattform Indiegogo schreiben. Und sie wollen mehr Konzerte in Berlin spielen. Am 25. Januar ist die Band in der Villa Neukölln wieder zu erleben.