: Wärme aus der Kanalisation
HEIZEN Friedrichshain-Kreuzberg will Energie aus Abwasser gewinnen. Bürgermeister Schulz hat dafür nun eine zweite Anlage eingeweiht
Unauffällig steht der grüne Container in einer Ecke neben dem Kurt-Ritter-Sportplatz an der Gürtelstraße in Friedrichshain. In ihm steht eine Anlage zur Energiegewinnung aus Abwasser, die in Berlin aufgrund ihrer neuen Bauart einzigartig ist. Der grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz sagt, um die Anlage realisieren zu können, seien „viele Hürden zu überwinden gewesen“. Schulz hat auch seine Parteikollegin Renate Künast, Spitzenkandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin, eingeladen.
Finanziert wurde die Anlage zur Hälfte von der EU aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), zur Hälfte vom Bezirk und Land Berlin. Es handele sich um eine „hervorragende Technologie“, die genutzt werden müsse, so der Bürgermeister. Weitere Anlagen seien in Planung. Schulz fügte hinzu, dass er nach den Wahlen am 18. September auf eine Koalition hoffe, die solche Anlagen unterstütze und zudem helfen würde, über Gutachten das Potenzial des Abwassers in Berlin feststellen zu lassen. Daraus könne dann errechnet werden, wie viele private Wohnungen über das Abwasser mit Warmwasser für die Heizung versorgt werden könnten. Bundesweit wird geschätzt, dass Abwasser ausreichend Energie enthält, um zwei bis vier Millionen Wohnungen mit Wärme zu versorgen.
Die Anlage an der Gürtelstraße versorgt zwei Gebäude: Heizungen des Familienzentrums „Juli“ und der anliegenden Sporthalle erhalten von ihr Warmwasser. In den wärmeren Monaten ist die Grundlast von 60 Kilowatt durch die Anlage gedeckt. Der Verbrauch an Erdgas wird dabei nach Angaben des Herstellers um bis zu zwei Drittel gesenkt. Im Winter haben beide Gebäude bei einer Außentemperatur von minus 14 Grad zusammen einen Gesamtwärmebedarf von 230 Kilowatt. Dieser wird durch Hinzunahme von zwei Gasthermen ermöglicht.
Einzigartig an der neuen Anlage ist, dass ihr Wärmetauscher, in dem das 10 bis 15 Grad warme Abwasser einen weiteren Wasserkreislauf erhitzt, im Gegensatz zu anderen Anlagen nicht in den Abwasserkanal eingebaut wurde: Er befindet sich oberirdisch im Container. Das Abwasser wird daher aus dem Kanal hochgepumpt, durch ein Sieb von Ablagerungen befreit und anschließend an den Wärmetauscher und die Heizzentrale geleitet.
In Berlin gibt es damit jetzt schon zwei Anlagen, die aus öffentlichem Abwasser Energie gewinnen: Die erste steht seit 2006 in der Leibniz-Schule in Kreuzberg. BENJAMIN QUIRING