: Nach der Arbeit wird gesungen
Der ukrainische Kammerchor Credo tourt durch Kirchen in Berlin und Brandenburg. Er gibt Stücke wenig bekannter russischer und ukrainischer Komponisten, weltliche und geistliche Musik aus mehreren Jahrhunderten zum Besten
Der Gesang füllt ohne jede Anstrengung den Raum. Ein Klang von schwereloser Reinheit, fast übernatürlich, so klar und bewegend, dass man unwillkürlich um sich blickt, um zu sehen, ob der Rest des Publikums auch so ergriffen ist. Bei den Konzerten des Kammerchors Credo trifft Schönheit auf Perfektion und Emotion auf Leichtigkeit. Derzeit sind die jungen Sänger und Sängerinnen des ukrainischen Chores in Deutschland zu hören. Ihre Tour führt sie durch Berliner und Brandenburger Kirchen, unter anderem auch in die Berliner Gedächtniskirche.
Die meisten der von Credo gesungenen Stücke stammen von kaum bekannten ukrainischen und russischen Komponisten. Das Programm umspannt weltliche und kirchliche Musik aus verschiedenen Jahrhunderten, bis zu zwölfstimmig arrangiert. Dabei muss jeder Ton sitzen, jeder Einsatz stimmen und jeder Sänger volles Engagement zeigen. So will es Bogdan Plish, der 30-jährige Leiter des Kiewer Chores. Dass die 40 Sängerinnen und Sänger seines Chores auch nach ungezählten Wiederholungen eines Musikstücks noch genauso frisch klingen wie am Anfang, erfüllt ihn mit Stolz: „Die Leute singen auf höchstem Niveau. Ich bewundere sie dafür, wie sie das alles schaffen – wenn sie nach einem schweren Arbeitstag erschöpft sind, müssen sie bei uns noch weiter arbeiten, es gibt keine Pause.“ Und das fünf Mal pro Woche. Wer so etwas mitmacht, für den ist die Musik mehr als nur ein Freizeitvergnügen. Alle Chormitglieder haben entweder ein Musikstudium abgeschlossen oder studieren noch Musik in Kiew. Der Name des Chores ist also Programm: „Sie glauben an das, was sie singen!“ So die spontane Bemerkung eines Spandauer Pfarrers nach einem Konzert der Ukrainer in seiner Kirche.
Zahlreiche Auftritte und Konzertreisen stärken den Zusammenhalt und die Professionalität des seit 2002 bestehenden Chors – nur leider noch nicht die Chorkasse. In der Ukraine gibt es für die Sänger keinerlei staatliche Unterstützung. So haben fast alle Mitglieder Vollzeitjobs und finanzieren ihre Konzertreisen selber, sammeln Spenden, suchen Sponsoren oder leihen sich Geld, das sie nach erfolgreichen Konzerten zurückzahlen.
Manchmal ist das Finden von freiwilligen Unterstützern aber gar nicht so schwer. „Wer einmal live bei einem Konzert von Credo dabei war, muss sich schon anstrengen, um diesem Chor und seiner Musik nicht zu verfallen.“ So sieht es jedenfalls Barbara Borowicz, eine Berlinerin, die den Chor seit einigen Jahren unterstützt. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, so könnte man meinen, dass der große Durchbruch erfolgt – diverse Preise und Auszeichnungen sind gewonnen, Konzerthallen und Festivals besungen worden. Vor der letzten Deutschland-Tour musste allerdings noch ein Musikquiz absolviert werden, um den Herren der Botschaft zu beweisen, dass es sich wirklich um einen Chor und nicht um eine gut getarnte Massenauswanderung handelt. Weniger lustig sind da schon die Abwerbungsversuche zahlungskräftigerer Ensembles, die sich seit einiger Zeit um die talentierten jungen Leute reißen. MAREI AHMIA
Konzerte: heute, 19 Uhr in der Pauluskirche Zehlendorf; Samstag, 4. August, 17 Uhr in der Friedenskirche Potsdam; Sonntag, 5. August, 21 Uhr in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin (Tickets: www.ippnw-concerts.de)