Lichtenberg wird dönerfreie Zone

Ein türkischer Döner-Imbissbesitzer gibt auf: Er schließt seinen Laden in der Weitlingstraße, weil ihn immer wieder Rechtsextreme überfielen. Die Lichtenberger Bürgermeisterin Emmrich bietet an zu helfen – und weiß doch nicht, wie

Als Resit Özer vor 16 Monaten seinen Dönerladen in der Weitlingstraße 46 eröffnete, ahnte der 37-jährige Türke nicht, was auf ihn zukommen sollte.

Er hatte sich mit Lichtenberg den Stadtteil ausgesucht, der schon mehrfach wegen rechtsradikaler Übergriffe auf Ausländer in die Schlagzeilen geraten war. Jetzt weiß er es nur zu gut. Nachdem zuletzt vor zwei Wochen wieder Gäste der benachbarten Kneipe zuschlugen und sogar Morddrohungen aussprachen, hatte er genug. Jetzt will der Türke seinen Laden schließen, obwohl er sagt: „Ich liebe Deutschland, Berlin und Lichtenberg.“

Der Abend, der den Türken zur Schließung seines Lokals veranlasste, spielte sich nach Özers Angaben so ab: Gegen 20.21 Uhr kam Özer aus seiner über dem Imbiss gelegenen Wohnung zurück in die Dönerbude. Dort wurde seine 19-jährige Aushilfskraft hinter dem Tresen von einem Mann bedroht, der Özer schon mehrfach beleidigt und angegriffen haben soll. „Verpiss dich, Kanake!“ und „Geh zurück nach Kreuzberg“ soll der Mann gerufen haben. Ein Stammkunde rief die Polizei. „Ich habe Angst“, sagt Özer. In der Weitlingstraße fühlten sich er und seine Familie nicht mehr sicher.

Seit vergangenem Herbst wurde Özer nach eigenen Angaben mehr als dreimal in seiner Döner-Bude überfallen. Seine Rechtsanwältin Birgit Stenzel erstattete für ihn Anzeige wegen leichter Körperverletzung, darunter Schläge ins Gesicht und Würgemale, und eine wegen Beleidigung. Die Personalien der Täter, Gäste der Kneipe „Kiste“, wurden aufgenommen, aber über den Stand des Strafverfahrens liegen der Anwältin keine Informationen vor. Den Überfall von vor zwei Wochen wolle Özer noch zur Anklage bringen.

Özer kann nicht mehr, obwohl er von vielen Seiten Unterstützung erhält: Die türkisch-deutsche Unternehmervereinigung (TDU) bot Özer bei einem Besuch in der mittlerweile geschlossenen Imbissbude am Donnerstagmittag rechtliche Unterstützung an. Die Lichtenberger Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linke) bot an, sich um einen neuen Wohnsitz und einen Standort für die Bude zu kümmern – denn Özer würde gern in Lichtenberg bleiben.

Bei dem Treffen wurden Handynummern ausgetauscht, und die Anregung, einen türkischen Tag in der Weitlingstraße zu organisieren, wurde von allen begrüßt. Was bleibt, ist die Frage, wie es weitergehen soll. „Wir geben kein Gebiet in unserem Bezirk auf“, sagt Emmrich. Hediye Erdem vom TDU befürchtet aber, dass weitere Geschäfte von Migranten in der Weitlingstraße schließen werden.

Auch Anwältin Stenzel wundert sich, weshalb Rechtsextreme ausgerechnet Özer als ihr Opfer aussuchten, denn im Kiez gebe es auch andere türkische Spezialitätenläden. Sie vermutet, dass Özers Bekanntschaft mit dem türkischstämmigen Abgeordneten Giyasettin Sayan (Linke), der im Mai 2006 von Unbekannten auf der Weitlingstraße krankenhausreif geprügelt wurde, Anlass für die Rechten sein könnte. Stenzel hat Verständnis für Özers Kapitulation: „Diese Schikane hält niemand auf Dauer aus.“ JESSICA SCHOBER