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Archiv-Artikel

SOUNDTRACK

Die möchte man auch mal am eigenen Lagerfeuer sitzen haben. Im Jahr 2000 in der US-amerikanischen Einöde von einem Brüderpaar gegründet, haben die Avett Brothers allerdings keine Zeit mehr, sich in einschlägigen Runden niederzulassen, obwohl sie – jetzt mal rein musikalisch gesehen – dort wohl gut hinpassen. Mit Hilfe von Banjo, Gitarre, Kontrabass und Klavier wird hier nämlich jener recht klassische Bluegrass-Folk hergestellt, der in keiner Gesellschaft von Traditionalisten und Naturburschen fehlen darf. Auf der anderen Seite gehört es aber auch, und das mag den derzeitigen Erfolg nicht unwesentlich mitbegründen, zum zentralen Merkmal der Band, mit ihrer traditionellen Instrumentierung zuweilen ganz Untypisches, vor allem untypisch Lautes zu produzieren, was nur den Schluss zulässt, dass hier welche auch ihre Rock-Lektion ausnehmend gut gelernt haben. Und wenn es schließlich noch eines Beweises bedarf, dass sogar elegischer Stadionrock (der ebenfalls zum Programm gehört) mehr als nur schmierige Momente besitzen kann; auch den können diese Herren mit Sicherheit beibringen. Do, 25. 8., 20 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36

Viele denken nur an sich, die Betreiber des Buchladens Strips & Stories denken zum Beispiel auch an die, die nicht so gerne lesen und veranstalten deshalb in ihren kleinen Räumlichkeiten unregelmäßig intime und sparsam instrumentierte Konzerte. Diesmal trifft dabei ein hoffentlich nicht nur handverlesenes Publikum auf Nathalie Stern und ihr kleines Ensemble aus Gitarre und Loopstation. Nur so genannten Eingeweihten ist die aus Newcastle stammende Schwedin bereits ein Begriff als jene Gitarristin des Duos Lake Me, die verbotene Rockposen mit großer Selbstverständlichkeit nimmt und nicht weniger selbstverständlich in den Staub schmeißt. Als Soloprojekt schließt sie demgegenüber eher an, vorwiegend auch skandinavische, Folk-Traditionen an und lässt sich gleichzeitig unüberhörbar auch von klassischem Blues inspirieren. Was die Songs dann aber vor allem ausmacht, ist besagte Loopmaschine, deren Gebrauch sich sphärisch aufbäumende Landschaft aus Akkorden und Stimmen entstehen lässt. Wenn Frau Stern infolgedessen als „One Woman Choir“ bezeichnet worden ist, dann sind ihre Lieder möglicherweise als kleinstes Gebirge der Welt ganz gut beschrieben. Fr, 26. 8., 20.30 Uhr, Strips & Stories, Seilerstraße 40

Vielleicht sollte es ein Projekt für die Umsetzung bislang verborgener künstlerischer Sehnsüchte werden, das Dirk v. Lowtzow (Tocotronic) und Thies Mynter (Superpunk, Stella) im Sinn hatten, vielleicht war auch einfach freie Zeit im Spiel, als sie 2001 Phantom/Ghost als lose Kooperation gründeten. Das Ergebnis gibt ihnen, wie man so schön nichtssagend sagt, Recht. Aber nicht, weil aus der Kooperation ein festes Duo geworden ist, das bereits auf mehrere Veröffentlichungen zurückschauen kann, sondern weil die Sache es tatsächlich schafft, stets mysteriös zu klingen und beweglich zu bleiben. Lassen sich die ersten beiden Platten noch deutlich im Kontext warmweich pluckernden Indietronics aus dem Märchenwald verorten, so bestätigte sich mit weiteren Veröffentlichungen doch vor allem eins: nicht um das Erzielen genrehafter Kontur geht es offenbar, sondern darum, auf unterschiedliche Weise eine, wie der Name sagt, geisterhafte Inszenierung vorzunehmen. So kommt das eigentlich gar nicht geheimnisvolle, aber permanent so klingende Projekt aktuell etwa als Kreuzung aus Varieté und Chanson daher und bleibt dankenswerterweise: schön anti-authentisch. Sa, 27. 8., 21 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20

Was auch immer Jack Tatum in seinem jungen Leben gehört hat (und die Beach Boys werden auf jeden Fall dabei gewesen sein): sein Projekt Wild Nothing gerät zu einer Leistungs- und Nabelschau mal verträumt, mal garagig ausfallenden Wave-, Shoegaze-, Pop-Sounds zwischen niederschmetternder Kleinstadt-Tristesse und California Dreaming. Unter Zuhilfenahme von Gitarre, stoischen Beats aus dem Drumcomputer, nicht selten unoriginellen, aber damit eben auch nicht gänzlich unpassenden Synthesizer-Sounds und ordentlich verhalltem Gesang feiert hier auf unterkühlt-verstimmte wie schwelgerische Weise also jenes Jahrzehnt auch musikalisch Auferstehung, das derzeit bereits von jugendlichen Körpern so stolz durch die Innenstädte geschleppt wird. Mo, 29. 8., 20 Uhr, Indra, Große Freiheit 64 NILS SCHUHMACHER