: Wo der Staat noch geschnüffelt hat
BERLIN taz ■ Es gab in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder Fälle, in denen gegen Journalisten ermittelt wurde, um undichte Stellen bei Behörden und Geheimdiensten zu finden.
Im Februar endete ein Fall, der mit dem aktuellen vergleichbar und für ihn von Bedeutung ist, mit einem Urteil im Sinne der Pressefreiheit. Der Vorwurf lautete auch damals auf „Beihilfe zum Geheimnisverrat“. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte 2005 die Räume des Magazins Cicero und das Archiv von Bruno Schirra durchsucht und die „physische Kopie“ eines Computers erstellt. Schirra hatte in Cicero in einem Bericht über den Terroristen Abu Mussad al-Sarkawi ein BKA-Dossier zitiert, das mit der Geheimhaltungsstufe „Nur für den dienstlichen Gebrauch“ versehen war. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses durch Journalisten nicht ausreiche, um eine Durchsuchung zu begründen.
Weniger aufsehenerregende Fälle, die das Verhältnis von Journalisten und Strafverfolgern beschreiben, sind zahlreich. Sie werden von JuristInnen aber meist als harmlos beurteilt – von erfahrenen JournalistInnen dagegen als Einschüchterungsversuch. Ein absurd anmutender Fall betraf die Wolfsburger Allgemeine Zeitung. Zwei MitarbeiterInnen wurden 2003 beschuldigt, durch Bestechung an interne Polizeiinformationen gekommen zu sein. Die Polizei legte im Zuge der Ermittlungen eine Köderfalle aus: eine Akte mit einem fingierten Skandal. Darin befand sich gefälschtes Material, in dem behauptet wurde, das Wolfsburger Krankenhaus habe über Jahre Abrechnungsbetrug begangen. Man wollte mit dieser Methode herausfinden, wer Informationen an Journalisten weitergab. Dazu wurden auch die Verbindungsnachweise der Diensttelefone der betroffenen Journalisten kontrolliert. Die Telefonkontrollaktion dauerte zwei Jahre, bevor die Zeitung davon erfuhr. Die Ermittlungen wurden damals schnell eingestellt.
Eine Provinzposse? Das Fazit von Carsten Baschin, Chefredakteur der Zeitung, jedenfalls lautete: Wenn aus dem Nichts solche Maßnahmen möglich sind, was ist dann möglich, wenn der Staat glaubt, es seien Belange von großem Interesse in Gefahr? KLAUS RAAB