: Wiedergeburt und Zerfall
Da hat sich wohl jemand in der Jahreszeit geirrt. Auferstehung ist ja eigentlich zu Ostern. Aber vielleicht haben Oake, die für ihr Debütalbum diesen Titel gewählt haben, auch gar nicht das Christkind beziehungsweise den volljährigen Jesus Christus im Sinn gehabt, sondern an eine andere Form der Rückkehr von den Toten gedacht.
Jedenfalls lässt das Berliner Duo Oake eine deutliche Nähe zu religiösen Themen erkennen. Ihre erste EP hörte auf den Namen „Offenbarung“, und auf ihrer Website zitieren sie den Dalai Lama. Eric und Batsheba, wie sie sich nennen, bringen ihr Anliegen jedoch nicht mit frommen Gesängen und Gotteslob zu Gehör, sondern stehen – musikalisch allemal – auf der lichtabgewandten Seite. Tiefe Basstrommeln hallen, scheinen die Luft zerreißen zu wollen, darüber geistern düstere Flächen, wie man sie oft in pessimistischeren Spielarten des Techno vernimmt, gepaart mit den magisch-dräuenden Klängen im Stile von Post-Industrial-Bands wie Coil – von Oake als wichtiger Einfluss erwähnt.
Bei aller Finsternis sind die sieben „Bücher“ dieser Auferstehung mit fein gearbeiteten, collageartigen Zutaten versehen, die nur hin und wieder wüst ausbrechen, und selbst über dem grimmigen Getrommel samt vorüberziehendem Getose der Wilden Jagd ertönt stets eine fast gelöste Frauenstimme, die von Kummer ebenso wie von Hoffnung singen könnte. Wovon die Rede ist, bleibt unklar. Selbst die Titel helfen nicht weiter: Ob „Mortre Wrid“ oder „Var Genstien“ aus einer untergegangenen Sprache stammen, Anagramme oder einfach Nonsens sind, muss vorerst offenbleiben. Die Musik darf ganz für sich sprechen. Und das macht sie sehr gut.
Bedrohlich geht es ebenso auf dem Album „YΔΩP“ (sprich: „Hydor“, altgriechisch für Wasser) des in Berlin ansässigen griechisch-italienischen Duos Alcalica zu. Allerdings weniger musikalisch als inhaltlich. Das fängt beim Titel an, der eine stark ungleich verteilte Ressource bezeichnet. Leonidas Danezos und Julie Loi artikulieren ihren Protest überwiegend mit Folklore-Anleihen und verstört pochenden Beats. In einigen Stücken fallen aber klare Worte in bis zu fünf verschiedenen Sprachen: „Zerfall, Zusammenbruch, Schuldenkrise, Gewalt der Autorität“, singt Julie Loi etwa in „Crumbling“ und bringt so mit fünf Substantiven die Situation von Ländern wie Griechenland auf den Punkt – vorgetragen mit elegant unterkühltem Sprechgesang.
TIM CASPAR BOEHME
■ Alcalica: „YΔΩP“ (Photovoltaic Records)
■ Oake: „Auferstehung“ (Downwards Records)