Das Wunder von Unterhaching

Hertha spielt schlecht, gewinnt aber das Pokalspiel beim bayerischen Regionalligisten mit 3:0. Der neue Trainer Lucien Favre sucht derweil weiter nach passenden Spielern für die Runderneuerung des Teams. Geld wäre da. Die Zeit aber wird knapp

Unterhaching – Hertha: 0:3 Tore: 0:1 Fathi (44.), 0:2 Ebert (65.), 0:3 Pantelic (82.) Erkenntnis des Tages: „Jaroslav Drobny hat sehr gut gehalten“: Hertha-Trainer Lucien Favre lobt nach dem Spiel nur den Torwart. Das sagt eigentlich alles. Hoffnungsmacher der Saison: „Der Bessere hat verloren“. Unterhachings Trainer Werner Lorant plaudert Herthas Saisontaktik aus. Die Aussichten: Zum Saisonauftakt muss die Hertha nach Frankfurt. Die dortige Eintracht kann gut mit Berlinern. Gestern fertigte sie den Regionalligisten 1. FC Union Berlin mit 4:1 ab.

VON JOHANNES KOPP

Eine der unzähligen Fußballerphrasen besagt, dass sich das Glück über die Saison hinweg gleichmäßig auf die Mannschaften verteile. Wenn das stimmt, dann hat Hertha am Samstag mit dem 3:0-Pokalerfolg bei der SpVgg Unterhaching seinen Glücksvorrat bereits beträchtlich dezimiert. Mittelfeldakteur Patrick Ebert brachte es nach dem Schlusspfiff auf den Punkt: „Wer das Spiel gesehen hat, wundert sich über das Ergebnis.“

Der Regionalligist Unterhaching dominierte weitgehend die Partie, doch die Berliner siegten und bescherten ihrem neuen Trainer Lucien Favre beim ersten Pflichtauftritt einen gelungenen Einstand. Nur eine Woche vor dem Bundesligastart in Frankfurt präsentierte sich Hertha verkrampft und verunsichert. Favre war dies nicht entgangen. „Man hat gesehen, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben“, sagte er und lächelte dabei freundlich. Überrascht wirkte der Schweizer nicht. Schon Mitte Juli hatte er gewarnt, dass es mit diesem Kader schwer werden würde, sich in der Bundesliga zu bewähren. Acht Abgängen standen damals nur drei Neuverpflichtungen gegenüber. Inzwischen hat sich die Lage gar verschärft. Mit Christian Gimenez und Kevin-Prince Boateng verließen zwei weitere Stammkräfte den Verein. Hinzugekommen ist keiner.

Manager Dieter Hoeneß gibt sich gelassen. Er betont stets, die Mannschaft müsse erst zum Ende der Transferperiode, am 31. August, aufgestellt sein. Bis dahin werde man noch fünf Spieler unter Vertrag nehmen.

Obwohl die Saison in fünf Tagen beginnt, befindet sich Hertha noch mitten im Umbruch. Um es in der Sprache der Zahnärzte zu sagen: Herthas derzeitiges Team ist ein Provisorium. Während die Bundesligakonkurrenz schon am Feinschliff arbeitet, diskutiert man in Berlin darüber, wie man die Lücken im Kader qualitativ am besten füllt. Solange diese Arbeit nicht verrichtet ist, hofft man inständig, von den Gegnern nicht die provisorische Fresse poliert zu bekommen. Gegen Unterhaching ist das gerade noch einmal gut gegangen.

Das Umbauprojekt der Hertha verspricht eine spannende Angelegenheit zu werden. Nach fast dreijähriger Amtszeit von Trainer Falko Götz, der nie wirklich aus dem Schatten von Hoeneß heraustreten konnte, hat mit Favre ein Mann die Verantwortung übernommen, der sein bewährtes Schweizer Erfolgsmodell auf Hertha übertragen soll. Überall, wo er arbeitete, feierte er Triumphe. Mit dem FC Zürich gewann Favre zuletzt zweimal die Meisterschaft.

Der Coach profitierte bei seinen Clubs jeweils davon, dass er gemäß seinen Vorstellungen komplette Teams neu zusammenstellen durfte. So will man es auch in Berlin halten. Die Missstimmungen der vergangenen Saison bei Hertha, die insbesondere eine Abwanderungswelle der Jungtalente zur Folge hatte, begünstigt die Runderneuerung à la Favre. Hoeneß konnte über zehn Millionen Euro Transfererlöse einstreichen – allein den zuletzt mittelmäßigen Kevin-Prince Boateng verkaufte man für märchenhafte 7,5 Millionen an Tottenham.

Geld steht also ausnahmsweise ausreichend zur Verfügung, um neben dem tschechischen Torhüter Jaroslav Drobny und dem Brasilianer Lucio weitere Spieler nach Berlin zu lotsen. Favre muss sich nur noch entscheiden. Das ist allerdings wohl ein Problem. Der 50-Jährige ist als gründlicher Grübler bekannt. Er hat auch hohe Ansprüche. Seine Wunschkandidaten sollen jung, schnell, technisch versiert sein sowie taktische Intelligenz und persönliche Reife mitbringen. Extravaganzen und Eitelkeiten verabscheut Favre. Einen drakonischen Strafenkatalog für disziplinarische Vergehen hat er bei Hertha schon aufgestellt.

Ansonsten aber wirkt Favre bei seinen Auftritten äußerst entspannt und unbefangen. Er lächelt viel, obwohl der Erwartungsdruck, der auf ihm lastet, gewiss nicht gering ist. Entscheidend wird sein, wie viel Zeit man Favre in Berlin einräumen wird. Alle Zeit der Welt, antwortet man bei Hertha. Das sind altbekannte Lippenbekenntnisse. Wie viel sie wert sind, wird sich zeigen.