: Schäuble will nur nachjustieren
REAKTIONEN SPD-Linke und Opposition fordern eine umfassende Reform der Erbschaftsteuer. Das CDU-geführte Finanzministerium möchte aber an Ausnahmeregelungen festhalten. Dafür muss die Große Koalition erst eine gemeinsame Linie finden
RALF STEGNER, SPD
BERLIN taz | Nach dem Urteil zur Erbschaftsteuer hat die Koalition noch keine gemeinsame Linie zur Umsetzung gefunden – auch wenn zumindest das Finanzministerium bereits klare Vorstellungen hat. Sein Haus werde die nötigen Neuregelungen „so zügig wie möglich umsetzen“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach der Urteilsverkündung. Komplett reformieren möchte er die Erbschaftsteuer aber nicht und stattdessen Firmenerben auch künftig begünstigen. Entscheidend sei schließlich, dass die Richter Ausnahmeregeln für Fälle erlaubten, in denen ansonsten Arbeitsplätze gefährdet seien.
Mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) könnte sich Schäuble sogar einig werden. Dieser hatte schon vor dem Urteil gefordert, eine Reform dürfe nicht dazu führen, dass künftig „in großem Umfang Betriebsvermögen“ besteuert werde. „Das treibt die Familienunternehmen nur in die Hände der Banken und vernichtet Arbeitsplätze.“
Mit seiner Partei wird Gabriel darüber aber noch einmal zu reden haben. „Es werden Rekordvermögen vererbt, Billionen in den nächsten Jahrzehnten“, sagte der SPD-Vize und Parteilinke Ralf Stegner am Mittwoch. Da der Staat davon bislang „eher wenig einnehme“, müsse das Finanzministerium nun ein gänzlich neues Konzept ausarbeiten. In dem Zusammenhang verteidigte er einen Vorschlag, den er zu Wochenbeginn gemeinsam mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe veröffentlicht hatte und der im linken Parteiflügel viel Zustimmung erhielt.
Der Vorschlag sieht vor, Arbeitsplätze nicht dadurch zu sichern, dass gefährdete Unternehmen von der Erbschaftsteuer verschont werden. Stattdessen sollten Erben Firmenanteile an den Staat übertragen können – bis sie selbst wieder genug Geld haben. Dann könnten sie die Anteile zu marktüblichen Preisen zurückbekommen.
Noch weiter geht ein Vorschlag der Opposition. Sahra Wagenknecht (Linkspartei) regte an, „dass im Erbfall Unternehmensanteile an die Belegschaft übertragen werden könnten“. Dass die Steuer die Existenz zahlreicher Unternehmen gefährde, sei dagegen ein Märchen.
Die Wirtschaft reagierte derweil gespalten auf das Karlsruher Urteil. Die „Wirtschaftsjunioren Deutschland“, ein Verband junger Führungskräfte, befürchtet „fatale Folgen“ des Urteils und einer möglichen Reform. Die Mitglieder des Verbands sind alle unter 40 Jahre alt – sie sind von der Erbschaftsteuer also besonders häufig betroffen. „Wenn der Gesetzgeber nicht unbürokratische Regelungen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen findet, wird diese Entscheidung Tausende Arbeitsplätze kosten“, sagte der Vorsitzende Christian Wewezow. Lutz Goebel, Chef des Verbands der Familienunternehmer, nannte die Forderung nach Nachbesserungen dagegen nachvollziehbar. Die bisherige Regelung sei häufig missbraucht worden. „Wenn das Bundesverfassungsgericht hier noch weitere Nachbesserungen sieht, unterstützen wir dies. Trittbrettfahrer gehören ausgeschlossen“, sagte er. Auch er forderte jedoch, mögliche Nachteile „sehr sorgfältig“ zu prüfen. TOBIAS SCHULZE