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Archiv-Artikel

HERMANN- JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD Wirtschaft ist Religion

Konto überzogen? Macht nichts. Sparen ist gar nicht so schwer. Dank der heiligen drei Gebote

Ein alter Schulfreund hat vor Jahrzehnten den guten Abschluss seines Wirtschaftstudiums mit der Bemerkung kommentiert: „Hat mehr mit Religion, mit Weltanschauung, als mit Wissenschaft zu tun.“ An dieses Bonmot habe ich in den vergangenen Wochen mehrfach gedacht, wenn wieder ein Leser anrief und fragte, wie er denn jetzt noch sparen soll. Ein paar Kernsätze können da schon helfen.

Erstens: Sorgen Sie dafür, dass Ihr Konto aus dem Dispo kommt, das bringt zwölf Prozent Rendite. Zweitens: Haben Sie Ihr Auto schon komplett bezahlt? Autokredite kosten häufig sechs bis acht Prozent Zinsen, die können Sie sich sparen. Ihre Rendite. Drittens: Füllen Sie Ihr Tagesgeldkonto auf. Bei einem guten gibt es mehr als zwei Prozent Zinsen und Sie vermeiden damit, je wieder in den Dispo zu müssen – auch wenn Auto und PC parallel kaputt gehen.

Jenseits dessen gibt es für mich praktisches und philosophisches Sparen. Praktisches Sparen richtet sich etwa darauf, in fünf Jahren so viel Startkapital anzuhäufen, dass der Traum von den eigenen vier Wänden Wirklichkeit werden kann. Philosophisches Sparen hat keine so fassbaren Ziele. Grob gesagt bewertet es die wirtschaftliche Sicherheit in der Zukunft höher als die Möglichkeit, in diesem Jahr die Revolutionsfolgen in Sharm el Sheik mit anzusehen. In der philosophisch-pragmatischen Variante landet dann Geld auf einem Tagesgeldkonto, weil der Sparer begriffen hat, dass das Sparguthaben in Deutschland allemal sicherer ist als der Arbeitsplatz. Geht bei verschärfender Krise der Job flöten, freut man sich über Rücklagen.

Hauptproblem der philosophischen Sparer: der Nutzen ihres Tuns ist abstrakt, die sichere Rendite niedrig. Zwölf Prozent Rendite – wie beim Ablösen des Dispo – gibt es nirgends sicher. Und wenn irgendwer acht Prozent Zinsen oder gar acht Prozent Ausschüttung verspricht, können philosophische Sparer sicher sein, dass sie sich an einem Unternehmen mit ungewissem Ausgang beteiligen. Weil aber die Sicherheit oft höchstes Ziel ist, bleibt den Sicherheitsjüngern nur, sich mit niedrigen Renditen zu bescheiden.

Andere Möglichkeiten haben Spieler und Unternehmer oder Aktionäre. Unternehmer, weil sie ihr Geld im größten Spiel des Lebens in die eigene Firma stecken, Aktionäre, weil sie ihr Geld mit entsprechendem Risiko in fremde Firmen stecken. Mein Wirtschaftsfreund mit dem guten Abschluss ist Unternehmer.

Vielfältige Möglichkeiten bieten sich nur Spielern, die Geld anlegen, sei es auf der Rennbahn oder an der Börse. Sie beobachten, wie sich ihr Reichtum vermehrt oder vermindert. Schaupiel mit Chance und Risiko.

Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest Foto: Karsten Thielker