: Das fragile Ganze
POP Schön fließend: Auf ihrem zweiten Album gibt sich die Elektronikerin Ada so entspannt und offen wie noch nie. Der Club rückt dabei in den Hintergrund. Groß!
VON TIM CASPAR BOEHME
Are you happy or sad?“ Bist du glücklich oder traurig? Man weiß nicht so recht, ob sich diese Worte von Adas zweitem Album „Meine zarten Pfoten“ an den Hörer richten oder an die Musikerin selbst. Die Frage ließe sich ohne Weiteres auch als programmatische Klammer für die ganze Platte verstehen, was einem hier in knapp fünfzig Minuten geschenkt wird, verströmt zu gleichen Teilen gelassenes Glück und introvertierte Melancholie. Das eine lässt sich vom anderen nur schwer trennen und fügt sich wie von selbst zu einem grandios-fragilen Pop-Ganzen.
Knapp sieben Jahre ist es her, dass Michaela Dippel alias Ada ihr Debütalbum „Blondie“ veröffentlichte. Schon damals war ihr Interesse an fein gesponnenem Pop merklich ausgeprägt, doch drückte die Musikerin diese Vorliebe noch in einem Vokabular zwischen House Music und Minimal Techno aus. Ihre sehr persönliche Version von Clubmusik gehörte neben den Tracks der Produzenten Metope und Basteroid zum Kernbestand des Areal-Labels. Der Klang des 2000 in Köln gegründeten Labels war, ganz im Sinne der am Rhein vorherrschenden Techno-Institution Kompakt, minimalistisch-reduziert, doch wählte man bei Areal von Anfang an einen eigenen, oft sperrigen Zugang zur Clubmusik.
Hier lässt man sich Zeit
In der Zwischenzeit hat sich einiges geändert. Areal ist vom Rhein nach Berlin umgesiedelt, Ada wohnt seit dem Frühling in Hamburg, und dort ist auch ihr neues Album erschienen, bei dem jungen Label Pampa, das der befreundete Produzent DJ Koze betreibt. Mit Platten von Isolée und Robag Wruhme entwickelt sich Pampa allem Anschein nach zur neuen Heimat für Musiker, die ruhige Varianten elektronischer Musik bevorzugen und sich bei der Arbeit Zeit lassen wollen – sämtliche Vorgängeralben liegen mindestens sechs Jahre zurück.
Adas „Meine zarten Pfoten“ hat nicht nur den bisher seltsamsten Titel im Pampa-Katalog, es entfernt sich auch am weitesten von allen Clubzwängen. Gleich zu Beginn gibt es mit „Faith“ die erste Überraschung in Gestalt eines Covers der Independent-Band Luscious Jackson, dem Ada sämtliche Rockposen ausgetrieben hat. Die Gitarre, wie alle Instrumente von ihr selbst gespielt, wird ausschließlich sacht gezupft und treibt mit den übrigen Klängen wie ziellos vor sich hin. Adas betörend sanfter Gesang verleiht dem Song eine in sich ruhende Friedlichkeit, über der man fast vergessen könnte, dass sie ganz anders kann.
Ursprünglich kommt Ada denn auch gar nicht von der elektronischen Musik. „Bevor ‚Blondie‘ entstand, hatte ich mit Clubmusik wenig zu tun“, räumt sie im Interview ein. Danach hörte sie so viel davon, dass es ihr rückblickend ein wenig zu viel erscheint. Heute verfolgt sie das Clubgeschehen nicht mehr ganz so gewissenhaft. „Irgendwann hatte ich das Gefühl, es gibt nichts Neues, das mich interessiert.“ Sie beschäftigte sich lieber mit alten House-Platten aus den Neunzigern und löste sich während der Arbeit an neuem Material zunehmend von der Vorgabe, unbedingt für den Club produzieren zu müssen.
Die ersten Stücke gerieten zunächst noch recht clubnah, orientierten sich an melodischen House-Entwürfen. Auch das „Intro“ stammt aus dieser frühen Phase. Dass es erst als Titel Nummer fünf kommt, ist kein musikalischer Scherz, es markiert einfach den Beginn des „elektronischeren“ Teils ihrer Platte, mit allem, was dazugehört: gleichmäßigem Bassdrum-Puls, House-gemäßen Effekten wie Klavier oder pluckernden Synthesizern und dergleichen mehr. Doch selbst in diesen Stücken drängt Ada nicht auf die Tanzfläche, sondern hält sich weiter am Rand, beobachtet eher das Geschehen, als sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen.
In der ersten Hälfte – die als letzte entstand – ließ sie sich von Mariachi-Bands, die sie in Mexiko erlebt hatte, inspirieren. Und weil die Soundkarte ihres Computers mittendrin den Geist aufgegeben hatte, musste sie am Ende alles live aufnehmen – das organische Fließen der Musik dürfte daher rühren. Dass die Stücke zudem besonders intim wirken, hat womöglich mit der bewährten Wohnzimmermethode zu tun, auf die Ada nach einigen Versuchen im gemieteten Studio zurückgriff. Besonders ihr Gesang gefiel ihr zuhause besser. „Die Stimme klingt ja nie gleich. Ich mag besonders den Klang kurz vor einer Erkältung.“
Als Abschied von ihrer Clubvergangenheit möchte sie das Album nicht verstehen. Auch veröffentlicht sie weiter auf Areal, soeben erschien ihre Maxi „Me and the Three“, auf der sie ihre ersten Gehversuche mit dem legendären Acid-Synthesizer Roland TB-303 demonstriert. Und das Areal-Sublabel IRR – International Records Recordings – wird weiterhin von ihr betreut. Soeben erschien dort ein Ada-Remix des US-Techno-Produzenten Hrdvsion. „Ganz sicher werde ich auch weiter Clubmusik machen.“ Bleibt nur zu hoffen, dass sie darüber nicht vergisst, weiter große Pop-Musik zu machen.
■ Ada: „Meine zarten Pfoten“ (Pampa/RTD), „Me And The Three“ (Areal)