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Archiv-Artikel

„100-Prozent-Garantie gibt es nicht“

Schon heute können Genspuren im Essen stecken, sagt Michael Warburg vom Lebensmittelkonzern Unilever. Das von der Regierung neu geplante Label „Ohne Gentechnik“ lehnt der Konzern ab, verzichtet aber dennoch auf manipulierte Rohstoffe

MICHAEL WARBURG, 50, leitet die Wissenschaftsabteilung von Unilever Deutschland. Der britisch-niederländische Konzern ist nach Nestlé und Kraft Foods der drittgrößte Hersteller von Lebensmitteln. Mit weltweit 223.000 Mitarbeitern setzt er jedes Jahr rund 39,6 Milliarden Euro um. Allerdings verkauft er nicht nur Rama-Margarine, Knorr-Suppe oder Langnese-Honig, sondern auch Kuschelweich-Superkonzentrat, Domestos WC-Reiniger und andere Konsumgüter.

INTERVIEW HANNA GERSMANN

taz: Herr Warburg, wird auf Ihrer Margarine bald ein Label „Ohne Gentechnik“ prangen?

Michael Warburg: Nein, wir werden das Label nicht nutzen. Die Neuerungen, die die Regierung mit dem Gentechnikgesetz plant, ändern für uns nichts. Denn diese Regelung wird es nur in Deutschland geben. Wir verkaufen unsere Produkte aber weltweit. Es wäre für uns viel zu aufwendig, jede nationale Kennzeichnung zu berücksichtigen.

Aber Sie drucken doch extra Etiketten – in deutscher Sprache. Da wäre „Ohne Gentechnik“ kein Qualitätsmerkmal, mit dem sich werben lässt?

Wir brauchten doch bisher auch keine spezielle Auslobung. Dabei produzieren wir unsere Waren schon immer ohne Gentechnik. Das garantieren wir auch unseren Abnehmern.

In Margarine steckt aber Soja. Und das meiste Importsoja ist gentechnisch verändert. Wie kontrollieren Sie Ihr Angebot?

Gentechnik ist bis zum Grenzwert von 0,9 Prozent nicht kennzeichnungspflichtig. Daran orientieren wir uns. Und wir haben dafür ein aufwendiges Kontroll- und Zertifizierungssystem. Zunächst wird das Saatgut kontrolliert, dann die geerntete Sojabohne, später das gewonnene Öl und das Endprodukt. Das machen akkreditierte Prüfer. Bis eine Margarine auf den Markt kommt, ist ein Aktenordner voll mit Zertifikaten.

Gentechnikspuren können in Cornflakes oder Schokolade aber drin sein?

Die 100-Prozent-Garantie gibt es nicht. Weltweit können Spuren von Gentechnik vorhanden sein. Sie können auch keine Pannen ausschließen – wenn wie vor knapp einem Jahr Genreis unter herkömmliche Produkte gemischt wird.

Welches Risiko birgt die Gentechnik?

Keins, aber die Verbraucher wollen sie nicht. Noch fehlen die Produkte, die den Kunden von den Vorteilen überzeugen.

Sie meinen, die Verbraucher würden zugreifen, wenn Genfood zum Beispiel billiger ist als herkömmliche Lebensmittel?

Das ist gut möglich. Die Abneigung kippt sicher auch, wenn durch Gentechnik der Fettgehalt von Lebensmitteln gedrosselt werden kann. Große Untersuchungen gibt es zu diesem Thema allerdings noch nicht.

Entwickeln Sie denn solche Lebensmittel?

Wir forschen nicht daran. Die Lebensmittelindustrie hat diese Möglichkeiten nicht. An der Entwicklung von Genfood arbeiten vor allem Saatgutfirmen wie Monsanto.

Werden Sie Rohstoffe aus anderen Ländern als Deutschland beziehen, wenn die Gentechnik hierzulande öfter auf den Acker kommt?

Wir erwarten keinen Schub für die Gentechnik hierzulande – auch nicht durch das neue Gentechnikgesetz. Zudem kaufen wir generell weltweit ein. In Deutschland wird zum Beispiel gar nicht genug Raps für unsere Margarine angebaut. Die Bauern machen daraus mittlerweile Biodiesel und Energie. Wir beziehen Raps etwa aus Kanada.

Ausgerechnet aus Kanada, wo der Genraps in großem Stil angebaut wird und sich unkontrolliert ausbreitet?

Wir haben bisher kein Problem damit. Fänden unsere Tester Verunreinigungen, würden wir Konsequenzen ziehen. Langnese zum Beispiel bezieht heute keinen Honig mehr aus Kanada, seit 1995 einmal Genpollen in dem Produkt aufgetaucht sind.