: Mit Riesenschritten zu einer späten Erkenntnis
USA Präsident Barack Obama gesteht das Scheitern der Kuba-Politik ein. Das Wirtschaftsembargo gegen die seit 53 Jahren kommunistisch regierte Nachbarinsel kann er aber nicht aufheben. Das müsste der Kongress beschließen, in dem die Republikaner die Mehrheit haben. Und die schäumen vor Wut
NEW YORK taz | Nach 53 Jahren gibt Washington zu, dass seine Kuba-Politik gescheitert ist. Barack Obama vollzieht die 180-Grad-Wende, die die Logik von Embargo und Isolierung und Gewalt beendet, an der seine neun Amtsvorgänger festgehalten haben. Nach monatelangen Geheimverhandlungen, bei denen der Vatikan und Kanada geholfen haben, macht Obama gleich mehrere Riesenschritte auf einmal: Er telefoniert mit dem Präsidenten der Nachbarinsel, er tauscht Spione aus, er kündigt die Wiedereröffnung der US-Botschaft in Havanna an, und er sagt seinen Landsleuten eine Wahrheit, die der Rest der Welt längst kennt: „Amerikas Politik hat Kuba nicht demokratisch und stabil gemacht und hat statt Kuba Amerika isoliert.“
Die Kalten Krieger in Miami reagieren am heftigsten. Kaum hat der US-Präsident gesprochen, sind sie auf der Straße und rufen „Verrat“, „Feuert Obama“ und wettern gegen „Verhandlungen mit kriminellen Kommunisten“. Und Senator Marco Rubio, ein Republikaner aus Florida, der zu Wahlkampfzwecken behauptet hat, seine – bereits vor der Revolution emigrierte – Familie sei aus politischen Gründen aus Kuba geflohen, reagiert mit den Worten: „Das Weiße Haus hat alles aufgegeben.“ Kuba habe lediglich 53 politische Gefangene befreit, aber weder politische Parteien noch Demokratie noch Niederlassungsfreiheit für Unternehmen angeboten.
In der jüngeren Generation von US-Kubanern haben die „gusanos“ – die von Miami aus Attentate, Waffenlieferungen und andere Aktionen gegen das 150 Kilometer entfernte Kuba organisiert haben – nicht mehr so viel Gehör. Doch im US-Kongress haben sie weiterhin eine starke Lobby. Nicht nur in der republikanischen Partei, auch bei Demokraten. So stimmten selbst die Hälfte der afroamerikanischen Abgeordneten im US-Kongress – eine demokratische Gruppe – immer wieder für den Fortbestand des Embargos gegen Kuba. Eine Beendigung des Embargos hängt von der Zustimmung des US-Kongress ab. Bis zu den nächsten Wahlen erscheint das unwahrscheinlich.
Präsident Obama, der ab Januar einem Kongress gegenübersteht, der in beiden Kammern mehrheitlich republikanisch ist, will in der Kuba-Frage allein agieren. Schon im Januar soll die Eröffnung der US-Botschaft in Havanna beginnen. Außenminister John Kerry wird demnächst auf die Insel reisen. Das Weiße Haus lässt offen, ob Obama selber in seiner verbleibenden Amtszeit nach Kuba reisen wird.
Das Ende des Kalten Krieges zwischen USA und Kuba begann mit dem Austausch von mehreren Spionen. Kuba bekam die letzten drei der fünf langjährig in den USA Inhaftierten „Cuban Five“ zurück. Die Männer waren von Havanna nach Miami geschickt worden, um dortige Exilgruppen zu beobachten und Attentate gegen Kuba im Vorfeld zu verhindern. In den USA waren sie bei ihrer Verurteilung vor 15 Jahren zu bis zu zweimal „lebenslänglich“ verdonnert worden. Zwei von ihnen waren in den vergangenen Monaten nach Kuba zurückgeschickt worden, wo alle fünf als Helden gefeiert werden.
Umgekehrt bekamen die USA Allan Gross, einen Beschäftigten der Entwicklungshilfeorganisation USAID, zurück. Er hatte mehrfach Satelliten und anderes Kommunikationsgerät nach Kuba gebracht und war dort zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Chef des USAID, Raj Shah, trat am Mittwoch kurz vor Obamas Ansprache zurück. Seine Behörde hat noch in diesem Jahr Undercoveroperationen in Kuba organisiert.
Zusätzlich zu Gross erhielten die USA einen kubanischen Doppelagenten, der in Kuba fast 20 Jahre in Haft gesessen hat. Präsident Obama nannte ihn nicht namentlich, bezeichnete ihn jedoch als „besonders wertvoll“. Nach Recherchen von Newsweek handelt es sich um den Kubaner Roland Sarraf Trujillo, dessen Geheimdiensttätigkeit für die USA zur Verhaftung der „Fünf“, aber auch zur Verurteilung mehrerer kubanischer Spione im US-Außenministerium und im FBI geführt hat. Die in Spanien lebenden Schwestern von Sarraf Trujillo hatten am Mittwochfrüh erfahren, dass ihr Bruder aus dem Gefängnis Villa Marista „verlegt“ worden sei. Am Donnerstag wussten sie nichts über seinen Aufenthaltsort.
Welche Bedeutung die Annäherung für die Reisefreiheiten von US-Amerikanern und Kubanern hat, ist offen. Unklar ist auch, was die Ankunft von US-Vertretern auf der Insel für US-amerikanische Flüchtlinge dort bedeutet. Unter ihnen ist die ehemalige Black Panther Assata Shakur, die in den USA wegen Polizistenmord gesucht wird.
DOROTHEA HAHN