Ein stinknormaler Geldverleiher

PRESS-SCHLAG Weil der HSV sein Schicksal Investor Klaus-Michael Kühne anvertraut hat, steht er nun vor dem finanziellen Ruin

Klaus-Michael Kühne wirft sein Spielzeug weg

Der Finanzvorstand des HSV gab sich erstaunlich entspannt. In einem Interview mit der Hamburger Morgenpost (Mopo) formulierte Frank Wettstein zum Themenkreis Eigenkapital und Schuldentilgung so beruhigende Sätze wie: „Hierzu haben wir eine langfristige Planung, die rollierend aktualisiert wird.“

In Wirklichkeit muss es in der Nacht zuvor drunter und drüber gegangen sein, denn bereits vor dem Mittagessen aktualisierte die Mopo ihre Onlineberichterstattung mit einem frischen Wettstein-Zitat: „Herr Kühne wird sein bis Ende dieses Jahres vereinbartes Optionsrecht nicht wahrnehmen, und bis zum Ende des Jahres werden wir mit Sicherheit keine Kapitalerhöhung verkünden.“

Eine nüchterne Mitteilung, hinter der noch Unerfreulicheres steckt: Kühne will sein Geld zurück! Jener Logistikmilliardär Klaus-Michael Kühne, der beim HSV manchen Spieler vorfinanziert und Funktionsträger demontiert hat, für dessen Gunst der HSV seine Identität in die Tonne getreten hat, wirft sein Spielzeug weg. Der Spaß am HSV war ihm schon länger vergangen. „Ich habe jetzt wirklich schon viel zu viel Geld in dieses Hobby investiert“, sagte er vor ein paar Wochen.

Beim HSV, der sich zurzeit einen Finanzvorstand, zwei Finanzdirektoren, mehrere Finanzexperten im Aufsichtsrat und ein Finanzgenie auf der Trainerbank leistet, platzt manche Blase gar noch früher als in der übrigen Finanzwelt. Es ist keine sieben Monate her, da feierten knapp 8.000 HSV-Mitglieder die mit ihrer Selbstentmachtung verbundene Umwandlung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft und ließen den neuen Aufsichtsratsboss Karl Gernandt hochleben, der auch im Hauptberuf Kühnes rechte Hand ist. Fast jeder war überzeugt, dass nun Kühne als Investor in die neue AG einsteigt. Der rettete kurz darauf mit weiteren Kreditzusagen tatsächlich die Bundesliga-Lizenz und ermöglichte unter anderem den Transfer von Pierre-Michel Lasogga. Auf 25 Millionen Euro türmen sich mittlerweile seine Überweisungen, und die Umwandlung in Anteile der AG schien Formsache. Während die geblendete Presse sich noch stritt, ob Kühne besser als Mäzen, Gönner oder Investor beschrieben sei, geriet außer Acht, was er wirklich war: ein stinknormaler Geldverleiher.

Der saß derweil in seinem Schweizer Domizil und wurde nach jedem Tipp, wen der HSV feuern oder einstellen sollte, aus Hamburg gebeten, sich doch vorerst etwas zurückzuhalten. Klar, dass er sich nicht wie ein Abramowitsch, sondern wie der Kellner Leopold im „Weissen Rössl“ fühlt und denkt: „Aber zuschaun mag i net.“ Der wartet nicht 20 Jahre wie Dietmar Hopp in Hoffenheim, bis ihm die DFL die Aktienmehrheit gestattet und er allein das Sagen hat, der will irgendwann sein Geld zurück.

Auch andere Kapitalgeber sind weit und breit nicht sichtbar, und so ist unklar, wovon der HSV die 25 Millionen plus Zinsen zurückzahlen will, zu denen noch mindestens die ab 2019 fälligen 17,5 Millionen aus einer Fananleihe kommen. Was wohl die Initiatoren der HSV-Umwandlung zum Rückzug ihres Hoffnungsträgers sagen? Alles, was der HSV seit dem Sommer auf die Beine gestellt hat, wie die Erneuerung der sportlichen Leitung, wäre auch als Verein möglich gewesen. Der radikale Sparkurs, der nun fällig ist, wäre allerdings ein halbes Jahr früher und mit weniger Verbindlichkeiten eingeleitet worden. RALF LORENZEN