DIE LIEBESERKLÄRUNG
: Hartmut Mehdorn

DER BER-CHEF TRITT ZURÜCK. SCHADE, DENN ER HAT DAFÜR GESORGT, DASS WIR UNS BESSER FÜHLEN KONNTEN

Ach, eigentlich war er ja doch gar nicht so schlecht“, wird oft geseufzt, wenn ein ungeliebter, unfähiger oder anderweitig fehlerhafter Mensch auf einmal weg ist. Der einst verlachte dicke Mitschüler hinterlässt auf einmal eine unerwartet große Lücke: Wer macht jetzt den Klassentrottel, wer den Prügelknaben, und wer geht beim Fußball ins Tor?

Die Nützlichkeit solcher Leute liegt allein in ihrer Inferiorität, die die anderen sich überlegen fühlen lässt. So wie der Fuchs die Gesundheitspolizei des Waldes ist, so sind Bösewichte und Versager die Gesundheitspolizisten der Gemüter aller anderen. Dafür gebührt ihnen Dank und Achtung. Und das gilt auch für Hartmut Mehdorn.

Der Mann, der gegen sich selber klagte (Air Berlin versus BER); der Mann, der Millionen Provinzbewohner von der Bahnverkehrsteilnahme abgeschnitten und so auf ewig in ihre Weiler verbannt hat; der Mann, der „in Abwägung der Gesamtlage“ (Handelsblatt) das sinkende Schiff verlässt, ist weg. Schade. Er hat dafür gesorgt, dass wir uns besser fühlen konnten. Der kleine Lügner, Dieb und Seitenspringer in uns allen wirkte im Vergleich auf einmal redlich wie ein Honigpapst.

Dabei ist Hartmut Mehdorn ja noch nicht einmal tot. Also nicht richtig. Er ist lediglich zurückgetreten. Jederzeit könnte er wie ein ruinöser Springteufel aus der Schachtel des Vergessens schnellen, „ick bün all hier“ rufen und das nächste Großprojekt kapern wie ein tödlicher Virus sein Wirtstier.

Und darauf freuen wir uns schon, denn das ist unglaublich spannend: welchen Karren er als Nächstes auf welche Weise wie tief in welche Scheiße reiten wird, um dann wie schnell und für welche Summe wieder abzutauchen. Weit spannender jedenfalls als die Bundesliga.

Auch dafür lieben wir ihn.

ULI HANNEMANN