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Archiv-Artikel

Relaxt, erledigt, gut gelaunt

KATER HOLZIG Viele meinen, zur falschen Zeit, am falschen Ort zu leben. Das ist meist Quatsch. Ein Reisebericht

Als ich zwanzig war, war ich superneidisch auf die, die 68 jung gewesen waren

VON DETLEF KUHLBRODT

Wenn man am Sonntagnachmittag das Gelände des Kater Holzig betritt, ist man doch leicht überwältigt. Eben hatte man sich noch am Schreibtisch Gedanken über Kurt Wansner gemacht (was insofern auch passt, als die Bar25 im CDU-Parteiprogramm erwähnt wird) und plötzlich ist man hier. Juchhu! Zwischen Leuten, die in der Nacht gefeiert haben und einem ihr Contact-High herüberschieben, und anderen, die eben erst gekommen sind. Die Anlage zwischen alten Backsteinhäusern ist großzügig und viel demokratischer als das der Bar25, weil es keinen Backstagebereich gibt.

Das Publikum ist relaxt, erledigt, gut gelaunt. Es ist so sommerferienmäßig. Da und da gibt es Bars. Über das ganze Gelände verteilt gibt es gute Sitzmöglichkeiten. Die Bar, die die Bar25 zitiert, ist größer, die Anlage besser. Am Rande gibt’s ein Barbecue. Viele Materialien wurden noch einmal verwendet, den Fotoautomaten und den berühmten Beichtstuhl hat man mitgenommen. An eine Hauswand hat jemand ein Skelett gemalt, es fehlen ein paar Knochen. Man sitzt am Ufer der Spree und guckt auf die andere Seite, wo die Bar25 bis vor einem Jahr war. Dahinten fährt der Regionalzug nach Cottbus vorbei. Und ein Ausflugsdampfer ohne Gäste. Ich geh ein bisschen tanzen.

Anders als früher, als man am Sonntagnachmittag weggegangen war, hat man nicht das Gefühl, in eine Parallelwelt zu treten. Das Kater Holzig ist kein Remake der Bar25. Die Leute sind gut drauf, doch der Verpeilungsgrad ist eher gering. Am Abend kommen die Lichter viel besser zur Geltung. Das Gelände ist richtig gut inszeniert, vor allem im Detail. Wenn man die Augen beim Tanzen im Kunstnebel des Clubs im Kater Holzig schließt, riecht es so ähnlich wie damals im alten Tresor, also im Globus. Jemand trägt eine Krone. Vermutlich ist das der Geburtstagskönig. Bestimmt sind auch viele Touristen da, doch es handelt sich um sympathische Exemplare. Niemand fotografiert. Ich sitze auf einer Bank. Hinter mir ist ein rotes Holzherzchen, auf dem steht: „Wer bist du?“

Ein netter junger Typ setzt sich neben mich. Weil wir rauchen, kommen wir ins Gespräch. Er ist Anfang zwanzig, kommt aus Konstanz, wohnt in Berlin. Ihm ist hier vieles irgendwie zu normal, andererseits hatte er die Inszenierungen der Bar25 mit verkleideten Gestalten auf Stelzen und solchen Sachen ein bisschen übertrieben gefunden. Er meint, Anfang der 90er sei es besser, intensiver, wilder gewesen. Ich sage, nö, das ist Projektion. Viele meinen, in der falschen Zeit, am falschen Ort zu leben, aber das ist meist Quatsch. Als ich zwanzig war, war ich superneidisch auf die, die 68 jung gewesen waren, und hatte dann Anfang der 90er fast die tollen Zeiten verpasst, um die mich dann später die beneideten, die Ende der 90er nach Berlin kamen. Und könnte nun wieder ihn beneiden, weil er das Glück hat, jetzt und hier gerade jung zu sein. Aber jetzt ist jetzt, und in dieser Nacht ist es schön hier.

Es macht ihm Spaß, zu erzählen; von Clubs in Stuttgart, wo nur junge Banker und Leute wären, die, ohne mit der Wimper zu zucken, tausendfünfhundert Tequila für alle bestellen, aber die Stimmung ist trotzdem schlecht. Eigentlich findet er es hier gut; nur fehlt ihm die In-Crowd, die Tür sei möglicherweise zu lasch. Sein Lieblingsclub ist die „Wilde Renate“.

An der Hafenbar läuft einer meiner Lieblingssongs aus den 90ern: „Stoned Faces Don’t Lie“ von Andreas Dorau. Auf dem T-Shirt eines Engländers steht: „Losers always lose“. A., die Tresenverantwortliche, erzählt von einem Abend, an dem Woody, die E-Werk-Legende, am Tresen gestanden hatte. Der DJ habe fünfzehn Schnäpse bestellt und nicht bezahlen wollen, weil er ja grad aufgelegt hatte. Sie hätte ihn nicht erkannt, und man hätte sich eine Weile lustig gestritten. Keine Ahnung, wie die Geschichte ausging. Acht Stunden am Tresen haut ganz schön rein, aber es gefällt ihr hier sehr gut.

Es ist wohl drei, wir gehen noch eine Weile auf dem Gelände spazieren. Man geht ein paar Meter und sieht wieder was Schönes. Guckt nach oben kurz zu den Sternen und der Discokugel, die ganz weit oben über uns hängt.

Dann muss ich nach Hause. Draußen steht eine Schlange von 20 Taxen. Das neue Ding sind quietschbunte, seifenblasenproduzierende Wasserpistolen.

PS: katerholzig rockt. ich war jetzt ein paar mal da – i like! aber was sollte das heute mit der absolut unfreundlichen(!) türsteher-„frau“??!! ich komm mit meiner frau an, keine leute an der tür. dann an ein absolut frecher anranzer von dieser o.g. „frau“. sucht sofort ohne grund streit und spielt sich furchtbar auf, als wär sie was gaaanz tolles. anscheinend dachte sie, wir wollten sie umgehen, obwohl ich schon geld für die kasse in der hand hatte. war nicht unsere absicht, versuchte ich ihr zu erklären – rausschmiss... unfassbar! wir waren äußerst normal und gut angezogen, sind keine hippies, punks oder was man sonst nicht gerne einlässt. So beschwert sich ein User auf der Kater-Holzig-Facebookseite.