DIE ECHTEN GESCHENKE : Aus der Schublade
„Wir müssen was mitbringen“, sagt meine Freundin. „Wein?“, frage ich und geh schon mal rüber zum Weinbunkerregal. Die Flaschen dort sind verstaubt; ich sollte wirklich mal Zettel drauf kleben, von wann und wem die sind, das weiß ich nicht mehr genau. Nur die eine, die neue, das weiß ich dann doch: Die ist von neulich, vom Nachbarn, und zu dem gehen wir jetzt nicht. Also greif ich sie mir, aber meine Freundin sagt: „Ein richtiges Geschenk“, und ich stell sie zurück ins Regal.
Vielleicht besser so, denn der Wein ist gut und könnte ja sein, wir trinken den selbst eines Tages. Nur falls nicht, mach ich jetzt Ernst. „Nachbar unten, 2014“, schreib ich, und als ich das Klebeband endlich finde, find ich auch gleich ein Geschenk. „Kartoffelstampfer“, sag ich und hebe ihn hoch. „Haben wir zwei von.“
„Vielleicht“, sagt meine Freundin. Ich bin beeindruckt. Früher hätte sie das nicht gesagt, sondern: „Du spinnst!“ Aber früher hatte sie auch noch nie Post von meiner Schwester und in die Geburtstagskarte einen Teebeutel geklemmt. „Was’n das?“, wollte sie wissen. „Fünf Jahre Küchenschublade, würd ich sagen.“ „Und warum steckt sie mir das in den Umschlag statt in den Müll?“ Ich seufzte, erklärte, wie das so ist mit Geschenken: Die richtig guten sind nie frisch aus dem Laden, sondern gehortet, jahrelang immer wieder betrachtet, voll ans Herz gewachsen jetzt schon. „Und dass sie den nicht selbst trinkt, sondern dir schickt – boah.“ Fast neidisch war ich. Der Kartoffelstampfer ist mir auch ans Herz gewachsen; darum haben wir den noch, obwohl der neue viel besser stampft. „Prima“, sag ich und wickele ihn ein. „Der kocht doch gerne, nicht wahr?“
„Hmm“, macht meine Freundin, richtig überzeugt ist sie noch nicht. „Komm“, sag ich. „Ich pack den Wein noch dazu.“ „Okay“, sagt sie schließlich. „Aber ohne den Zettel dran.“ JOEY JUSCHKA