: Zarte Zauberflöte
MOZART-RELAUNCH Peter Brooks dramaturgischer Mut beschert dem Musikfest einen frühen Höhepunkt
Einen offenen Flügel, dreißig seiner geliebten Bambusstäbe und sieben Sänger- und SchauspielerInnen. Mehr braucht Peter Brook nicht, um seine zu Recht als frühen Höhepunkt des Musikfests gehandelte „Zauberflöte“ auf die Bühne zu bringen. Den Rest besorgt der 86-jährige Brite mit dramaturgischem Mut – und den braucht man, um aus Mozarts berühmtester und zugleichwirrster Oper ein stringentes Kammerspiel zu machen.
In der Weite der Staplerhalle, die Brooks Grundidee vom „Leeren Raum“ sehr entgegenkommt, setzt er die bei Schikaneder ebenso lose wie unlogisch verquickten Geschichten um Gut und Böse, um Initiation und Sinnlichkeit neu zusammen – was auch ein anderes Singen nach sich zieht. Brooks Sänger dürfen, statt auf den Fetisch Volumen, auf Feinheiten setzen. So werden aus Bravour-„Nummern“ wie den Koloraturen der Königin der Nacht (Malia Bendi-Merad) psycho-logische Handlungsimpulse, der wunderbar dicht und sensibel geführte Tamoni-Tenor von Adrian Stroope wandelt sich zum Medium des Schauspiels. Und wer käme angesichts dieser Qualitäten auf die Idee, den vollen Sound eines Opernorchesters zu vermissen? Niemand. Zumal Franck Krawczyks Klavierspiel die enge Partnerschaft zum Schauspiel sucht.
Das archetypische Konzept von Gesang als gehobener Sprache, als zu Musik werdender Deklamation, funktioniert freilich nur, wenn das Sprechen präzise bleibt – und hier zeigt die Inszenierung in der Besetzung des Monostatos und selbst einer Zentralfigur wie Sarastro unerwartete Schwächen. Nun könnte man sagen: Es hat sein Gutes, wenn Sarastros erzreaktionäres Frauenbild der Gnade der Akustik anheimfällt. Doch nach Lästern ist einem nach dem intimen Erlebnis dieser „Zauberflöte“ kaum zu Mute. Dazu ist nicht nur Brooks Anti-Prunk-Ansatz zu sympathisch, sondern auch das Gesamtergebnis zu überzeugend.
HENNING BLEYL