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Postales de Leningrado, Venezuela 2007, von Mariana Rondón, erzählt die Geschichte eines kleinen Mädchens, La Niña (Claudia Usubillaga), deren Eltern in der Guerilla mitkämpfen. Begeistert vom Sieg der kubanischen Revolutionäre 1959 gingen auch in Venezuela viele junge Erwachsene in die Berge. 1965 ist die Aufstandsbekämpfung des Militärs in vollem Gang. Die späteren Eltern leben in den Bergen, wo sie sich im Dschungel verbergen können. Marcela (Greisy Mena) und Teo (Laureano Olivares) verlieben sich. Der Vater wird verhaftet und gefoltert. Marcela bringt heimlich in einer kleinen Klinik auf dem Land La Niña auf die Welt. Leider sind gerade Reporter vor Ort – am nächsten Tag ist das Foto von Marcela und ihrer Tochter in der Zeitung. Beide müssen sofort untertauchen. Das Mädchen ist es von klein auf gewohnt, mit falschem Namen in wechselnden Unterkünften zu leben. Postales de Leningrado sind ihre Verbindung zur Mutter. Postkarten, die Lebenszeichen und Symbole der Zuneigung sind, eigentlich aus der Illegalität kommen, zur Tarnung aber aus Leningrad. Gemeinsam mit ihrem Cousin, dem kleinen Teo (William Cifuentes), wie sie noch keine zehn Jahre alt, erfindet sie eine Fantasiewelt. So überwinden sie immer wieder die Angst. Die Angst davor, dass ihre Eltern ermordet werden könnten vom Militär. Sie denken sich Superhelden aus, Strategien, mit denen ihre Eltern ihren Verfolgern entkommen können. Realität und Fantasie verschwimmen ineinander auf den Filmbildern tauchen Zeichnungen auf, die auf humorvolle Art den Bildern eine zusätzliche oder ganz andere Bedeutung geben. Dabei zeigt der Film auch, wie die Guerilla tatsächlich agiert haben könnte, wie Aktionen und Anschläge durchgeführt werden. Da liegt La Niña im Kinderwagen, und sitzt dabei auf zwei Pistolen, die transportiert werden müssen. Es könnte so gewesen sein. Die Hamburger Kommunistin Katharina Jacob erzählte mir, wie sie im Kinderwagen auf genau diese Art illegale Flugblätter transportierte – sie war sich sicher, dass die Gestapo nicht darauf kommen würde. So war es auch. Um die Postkarten aus Leningrad bauen die beiden Kinder eine Fantasiestadt: ein Leningrad, in dem alle Verfolgten ein sicheres Zuhause haben. Die surrealen, animierten Trickfilmbilder dieser Stadt, voller roter Sterne, Kosmonauten und Schnee, eine kindliche Fantasie? In jedem Fall eine gelungene komödiantische Ebene in dem Film. Der humorvoll statt kitschig ist. Vielleicht auch deshalb, weil Mariana Rondón diesen Film über ihre eigene Geschichte gemacht hat. Sie wurde am 8. Mai 1965 geboren, es ist ihre Perspektive, aus der heraus der Film erzählt wird. Ihre Familiengeschichte. Seit Mariana Rondón Filme macht, wollte sie einen Film über die Guerilla ihrer Eltern drehen. So wie sie sich selbst in den Film einbaute, gelang ihr eine stimmige, eine packende Erzählung. Postales de Leningrado läuft im Rahmen des monatlichen Cine Club Español in spanischer Originalfassung ohne Untertitel.
Der Film läuft Mittwoch im Kino 3001, Schanzenstraße 75 im Hof