andré trulsen, cheftrainer am millerntor : Kein Mann des Wortes
ANDRÉ TRULSEN, 42, ist seit Anfang Juli offizieller Cheftrainer des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli. FOTO: DPA
André Trulsen ist kein Mann großer Worte. Und wirklich geschmeidig kommen ihm nicht mal die kleinen über die Lippen. So ganz, es ist ihm anzumerken, behagt dem 42-Jährigen nicht, was sein neuer Job mit sich bringt: dass er nun ständig vor laufender Kamera kluge Spielanalysen geben soll.
Wenn „Truller“, wie er rund um den Kiez von Hamburg-St. Pauli genannt wird, zum Wortduell gegen einen Lautsprecher wie den Kölner Trainer Christoph Daum anheben muss, wie es sich am vergangenen Freitag zutrug, dann steht der Sieger von vornherein fest. Vor allem, wenn Trulsen bei seinem Liga-Debüt als Trainer des FC. St. Pauli gleich ein 0 : 2 (0 : 0) zu kommentieren hat – zumal das erste Punktspiel seit zwei Jahren, das zu Hause am Millerntor verloren ging.
Die Mannschaft habe in ihrem ersten Zweitliga-Spiel seit vier Jahren „überlegen gespielt“ und „unglücklich verloren“, sagte Trulsen da, habe das Tor halt „nicht getroffen“ und sich eiskalt „auskontern“ lassen. Das ist so richtig wie schlicht. Für die knackigeren Formulierungen bleibt Holger Stanislawski verantwortlich, der Team- und Sportchef des Clubs – der eigentliche Macher. Weil „Stani“ aber keine Trainerlizenz hat, zeigte die Deutsche Fußball-Liga ihm zu Saisonbeginn die rote Karte: Stanislawski durfte nicht mehr Trainer sein, sein Assi Trulsen musste einspringen. Geändert hat sich in der täglichen Arbeit dadurch wenig – nur eben, dass „Truller“ nun für die Kommentare zuständig ist. „Ich brauche“, hat Trulsen selbst dazu bemerkt, „wesentlich mehr Wörter am Tag als früher.“ Begeisterung klingt anders.
Den Fans vom Millerntor stören sich an rhetorischen Defiziten des neuen Cheftrainers nicht: Sie verehren Trulsen, der mit 177 Bundesligaspielen für St. Pauli den Vereinsrekord hält, als „Fußballgott“. Und weil er eigentlich nie ganz vorn auf der Bühne des Medienspektakels Profifußball stehen wollte, hat er vom Verein wenigstens eine Jobgarantie bekommen, wie sie kein anderer Fußball-Coach besitzt. So weiß Stanislawski, der den Spielerkader zusammenstellte und weiterhin das Training konzipiert: „Wenn’s schiefgeht, fliege ich – nicht Truller.“ Marco Carini