Der juckende Kopfbesetzer

Die Biodiversität hat es auf die Agenda der Politik geschafft. Aber muss wirklich jede Art überleben? Ach was, meinen taz-RedakteurInnen. Die Kopflaus wollen wir einfach nicht

In den nächsten 100 Jahren, so warnen Forscher, werden 30 bis 50 Prozent aller Arten verschwinden. Im Mai 2008 streiten in Bonn 5.000 Politiker auf einer UN-Konferenz, wie Tiere und Pflanzen geschützt werden können. Und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) will bis September eine nationale Biodiversitätsstrategie entwickeln. Aber mal ehrlich: Auch wenn jede Kreatur eine Daseinsberechtigung hat, es gibt doch auch Arten, die wir nicht so lieb haben und die gern verschwinden dürften. In einer politisch völlig unkorrekten Serie „Biodiversität? Ach was!“ macht die taz der Evolution Vorschläge.

BERLIN taz ■ Die Läuse kommen. Denn mancher liest die Gebrauchsanweisung für Anti-Läuse-Sprays, Gels und Shampoos nicht genau. Er dosiert die Mittel zu gering oder gibt sie nicht lang genug. Birgit Habedank vom Umweltbundesamt warnt: Pediculus humanus capitis könne so die Prozedur überstehen – und resistent werden.

Dabei gehört die Laus zu den Arten, von denen der Mensch gerne Abschied nehmen würde. Habedank: „Das sind reine Parasiten.“ Für sie gibt es hier keinen Artenschutz: Läuse sind nur lästig. „Weder sind sie alternative Nahrungsquelle noch sonst wichtig fürs Ökosystem“, meint die Expertin. Habedank ist zuständig für die Prüfung von Mitteln zur Schädlingsbekämpfung.

Seit Jahren forschen sie und ihr Team „mit höherer Dringlichkeit“ nach Mitteln, die dem Krabbeltier das Leben schwer machen. Die zwei bis drei Millimeter großen Läuse treiben sich vor allem in Kindergärten und Schulen rum.

Kinder brächten vor allem nach den großen Ferien Läuse mit in die Schule, sagt Habedank. Sie fingen sich diese oft im Sommerlager ein. Die sechsbeinigen Insekten können weder springen noch fliegen. Sie wechseln von einem zum anderen, wenn Kinder ihre Köpfe beim Spielen zusammenstecken oder die gleichen Kissen und Bürsten benutzen. So kann jeder die Blutsauger bekommen.

„Kopflausbefall hat nichts mit fehlender Sauberkeit zu tun“, schreiben Experten des Robert-Koch-Instituts im „Ratgeber Infektionskrankheiten“. Trotzdem hielten viele Eltern die Plage für einen Makel – und verheimlichen sie. Darum werden die Parasiten oft nicht früh und gut genug bekämpft. Mittel dagegen gibt es aber in jeder Apotheke.

Manche davon enthalten sehr giftige Insektizide. Viele Patienten greifen zu den sanfteren Präparaten. Nur meint die Expertin vom Umweltbundesamt: „Bitte nicht bei Läusen“. Die Wirkung sei ungewiss. Habedank empfiehlt allein Mittel, die nach Paragraf 18 des Infektionsschutzgesetzes geprüft und gelistet sind. Sonst könne das große Krabbeln weitergehen.

Läuse leben vom Blut. Und immer wenn sie Blut saugen, im Schnitt alle drei Stunden, geben sie etwas Speichel in die Wunde. Das juckt. Man kratzt, sodass kleine Wunden entstehen, die sich entzünden können. Habedank rät: „Mit Kopflausbefall zum Arzt oder Gesundheitsamt gehen“ – und sich beraten lassen, wie Mittel am besten angewandt werden. Die Dosis muss größer sein, je länger und dicker das Haar ist. Die Rosskur muss nach acht bis zehn Tagen wiederholt werden, damit alle Tiere erwischt werden. Die Laus tarnt sich gut. Sie ist transparent grau, blutgefüllt auch rötlich. Die befruchteten Weibchen legen täglich bis zu sechs Eier ab, die leicht gelb gefärbten Nissen. Lieblingsplätze dafür: Schläfen, hinter den Ohren und im Nacken.

Schädlingsexpertin Habedank würde gerne alle Läuse der Welt einmal gleichzeitig bekämpfen: „Dann wären die einfach weg.“ Aber das sei natürlich nicht machbar. Bleibt ein Trost: Kopfläuse sind unangenehm, übertragen aber keine Krankheiten. HANNA GERSMANN