: „So eine Kopfkraft“
WEITE Johan Simons ist Theaterregisseur. Er hat den Schriftsteller Siegfried Lenz getroffen, als der schon dem Tod entgegensah. Wenig später inszenierte Simons „Deutschstunde“, Lenz’ wichtigsten Roman. Ein Gespräch
■ Der Autor: Siegfried Lenz ist einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller. Größter Erfolg neben der „Deutschstunde“ war die Geschichtensammlung „So zärtlich war Suleyken“.
■ Der Regisseur: Johan Simons, 1946 in Holland geboren, ist Intendant der Münchner Kammerspiele und übernimmt 2015 die Leitung der Ruhrtriennale.
■ Der Roman: Die „Deutschstunde“ erschien 1968 und thematisiert das nationalsozialistische Erbe im Alltag. Es wurde eines der erfolgreichsten Bücher der Nachkriegsliteratur.
GESPRÄCH FELIX ZIMMERMANN FOTO VOLKER WICIOK
Ein unwirtlicher Tag in Bochum. Die Jahrhunderthalle im Stadtteil Stahlhausen, eine alte Maschinenhalle, liegt auf einer Anhöhe. Es stürmt, es regnet, es riecht nach Schnee. Im Café Pumpenhaus ist es warm, Johan Simons trinkt Fencheltee und nimmt sich Zeit für dieses Gespräch. Simons ist viel unterwegs, noch Intendant der Münchner Kammerspiele, vom kommenden Jahr an Leiter der Ruhrtriennale, und immer wieder in dem niederländischen Dorf, wo er zu Hause ist. Simons’ Bühnenfassung der „Deutschstunde“ wird zurzeit am Hamburger Thalia-Theater aufgeführt.
taz: Herr Simons, während Sie am Hamburger Thalia-Theater die Deutschstunde probten, ist der Schriftsteller Siegfried Lenz gestorben. Wenige Wochen nach seinem Tod hatte Ihre Bühnenfassung seines Romans Premiere, in Hamburg, seiner Heimatstadt. Als hätten Sie ihm ein Denkmal gesetzt.
Johan Simons: Ohne es zu ahnen. Was aber noch viel merkwürdiger war: Zwei Stunden nachdem ich die erste Lesung mit den Schauspielern angefangen habe, kam die Nachricht von seinem Tod. Das war natürlich Zufall, das weiß ich. Aber ein erstaunlicher Zufall.
Wie haben Sie auf diese Nachricht reagiert – auf der Bühne, bei der Probe?
Wir haben darüber kurz geredet, aber dann weitergemacht. Wir hatten das Gefühl: Es passt, wenn wir weiterproben.
Sie haben Siegfried Lenz wenige Monate vor seinem Tod im Oktober noch getroffen, um mit ihm über die Deutschstunde zu sprechen.
Ich bin darüber sehr froh, es war ein gutes Gespräch. Er schwebte schon ein bisschen, natürlich – aber so alte Menschen, die schweben. Wenn man sich auf sie einlässt, wenn man dafür Geduld hat, dann ist es sehr rührend und schön.
War das bei ihm zu Hause?
In seinem Ruhesitz. Ein sehr schönes Haus, nahe der Elbe. Es war ein grauer Tag.
Deutschstundewetter?
Ja, wie in dem Roman.
Grauer Himmel, Regen, ständig bläst der Wind. Wie heute hier in Bochum.
Aber bei ihm zu Hause war es sehr gemütlich. Seine Frau war auch dabei, wir tranken gemeinsam Tee, es gab Süßigkeiten. Dann zündete Lenz sich immer wieder die Pfeife an, und zog daran – schmack, schmack, schmack.
Es muss die Zeit gewesen sein, als Lenz schon begonnen hatte, sein Leben für die Zeit danach zu ordnen. Seinen Nachlass hatte er dem Marbacher Literaturarchiv überlassen, eine Stiftung gegründet. Hatten Sie das Gefühl, einem Menschen gegenüberzusitzen, der sich auf den Tod einrichtet?
Ja, ich denke schon. Wenn man so alt ist, lebt man von Tag zu Tag. Aber nicht auf eine dramatische Weise. Ganz gelassen kam er mir vor. So, wie seine Bücher auch sind.
Die Deutschstunde ist eins der erfolgreichsten Bücher der Nachkriegszeit, der Verlag druckte Auflage um Auflage nach. Der Roman erschien 1968, als sich die Jungen mit den Vätern auseinandersetzten. Es ist eine sehr deutsche Geschichte über Pflichtbewusstsein und Schuld, die Lenz erzählt. Sie hat zentrale Bedeutung für das, was wir Vergangenheitsbewältigung nennen.
Und dass Lenz ein solches Buch schrieb, war natürlich kein Zufall. Lenz war ein politischer Autor, auch nicht ohne Einfluss. Später beriet er den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt über moralische Fragen in Zeiten der RAF. Lenz ist ein Autor, der mit dem Herzschlag der Zeit verbunden war. Das finde ich so besonders an ihm.
Er galt immer als heiterer, stiller, erzählender Mensch – ganz im Gegensatz etwa zu seinem Zeitgenossen Günter Grass. Wie haben Sie Lenz erlebt?
Genau so. Aber mit einer großen Ausstrahlung. Wenn man sich romantisch vorstellt, was ein Romancier ist, dann saß ich einem großen Schriftsteller gegenüber. Das spürte man einfach. So wie – wenn man das vergleichen darf – ein großer Fußballer. Johan Cruyff zum Beispiel, der hat auch eine große Aura. Natürlich ist Cruyff ein ganz anderer Typ als Siegfried Lenz, aber bei ihm erging es mir ähnlich. Man spürt so eine Kopfkraft.
Erzählen Sie!
Ich wurde bei ihm zu Hause in ein Zimmer geführt und musste eine Weile warten. Wie auf einen König. Dann wurde ich in einen anderen Raum geführt, da saß er. Er ist kein König, natürlich nicht. Ein sehr freundlicher Mann, voller Würde. In dem Raum große Bücherregale, beeindruckend viele Bücher, auch antiquarische Ausgaben. Dann dieser große Kopf und die Pfeife, in der das Feuer leuchtete. Und Lenz strahlte eine große Ruhe aus.
Worüber haben Sie gesprochen?
Wir haben vor allem über die Landschaft in der Deutschstunde gesprochen.
Dieses flache Land hinterm Deich in Nordfriesland.
Wir waren uns im Gespräch sehr nah und redeten darüber, was uns an dieser Landschaft so reizt. Für mich – und für ihn wohl auch – war es das Abstrakte, das Nichts, das Reduzierte. Ich kenne diese Landschaften aus den Niederlanden sehr gut. Wir sprachen über Ebbe und Flut, wie die Gezeiten das Land prägen. Ich habe ihm dann von den holländischen Landschaftsmalern erzählt. Vielleicht wusste er das und hat es sich nur aus Höflichkeit angehört. Wenn das …
Simons nimmt sein Smartphone, dreht es um und skizziert auf der Rückseite mit den Fingern ein imaginäres Bild. Fast wie eines der „unsichtbaren Bilder“ aus der Deutschstunde, die der Maler Nansen malt, obwohl er von den Nazis ein Verbot auferlegt bekommen hat.
… ein Gemälde ist, dann haben die Holländer unten eine Horizontlinie gemalt und darüber war es eigentlich leer. Vielleicht noch ein Fluss, weit weg, einige Kühe im Vordergrund, darüber war nur Luft, Himmel. Die Leute haben gesagt: Da ist nichts drauf auf diesem Gemälde. Diese Bilder waren damals umstritten, weil sie wahrgenommen wurden wie die abstrakten Gemälde im 20. Jahrhundert. Darüber haben wir geredet. Über das Nichts und doch das Viele.
In der Inszenierung der Deutschstunde haben Sie diese Landschaftsbilder, die bei Lenz einen so großen Raum einnehmen, weggelassen.
Man muss so einen Roman reduzieren. Und trotzdem versuchen, auf Augenhöhe zu kommen mit Lenz. Etwas Neues hinzufügen. Oder, nein, lassen Sie es mich anders sagen: den Roman auf eine andere Art betrachten, als man ihn liest.
Sie haben die Deutschstunde auf die Personen reduziert. Der Polizist und sein Sohn, die Mutter, der Bruder, die Schwester, ihr Verlobter und der Maler. Man sieht die Landschaft nicht.
Aber die Landschaft spielt eine Rolle, auch in meiner Inszenierung. Sie schwingt mit. Es ist das Paradoxe, dass man in dieser grenzenlosen Weite geboren wird und dort diese engen Gedanken hat, starres Festhalten am Vorgegebenen. Der Polizist soll das Malverbot für den Maler überwachen. Und er übererfüllt diesen Auftrag sogar, macht nach dem Ende des Regimes weiter.
Hat Lenz Ihnen etwas mitgegeben für die Inszenierung?
Er sagte, ich solle meine eigene Arbeit daraus machen. Die Paradoxie aus weiter Landschaft und geistiger Enge war ein wichtiges Thema, das ich vom Gespräch mit ihm mitgenommen habe. Das Bühnenbild hat viel damit zu tun.
Drei schräge Flächen, auf denen die Schauspieler keinen Halt finden.
Es gibt von dort aus keinen Ausblick. Ich hatte Verwandte, die wohnten an einem Fluss und blickten auf den Deich. Wenn sie nur zehn Meter liefen, kam da eine unglaubliche Landschaft.
Was erzeugt diese Landschaft?
Man kommt sich sehr klein vor. Ich nehme die Welt als eine große Schale wahr, man sieht die Rundung der Welt von einem Deich aus. Weil der Ausblick von nichts gestört wird, und dann spürt man sich wie ein Molekül. Das ist unglaublich trostreich.
Kannten Sie Lenz, kannten Sie seine Werke?
Nein. Ich hatte Günter Grass gelesen und Heinrich Böll, Lenz nicht. Vor zweieinhalb Jahren hat das Thalia-Theater mich gefragt: Wie wäre es, wenn du das für uns inszenierst? Lies doch mal die Deutschstunde von Siegfried Lenz. Sie haben mir nicht gesagt, was das für eine Geschichte ist.
Wie war die Lektüre?
Ich habe angefangen es zu lesen, nach 50 Seiten hatte ich eine Vermutung, wann es spielt. Ich habe nicht den Rückumschlag angeschaut, nichts gelesen als Vorbereitung, sondern einfach angefangen. Allmählich merkte ich: Ah ja, das ist der Zweite Weltkrieg. Das ist gut an dem Buch: Der Krieg und die Gesellschaft werden groß thematisiert, aber die Kriegsgeschichte fängt in der Mitte des Buchs erst richtig an. Am Anfang muss man erst mal die Atmosphäre mitbekommen, wie der Krieg Teil des täglichen Lebens wird.
Hat es Ihnen gefallen?
Ich habe es schnell gelesen, weil ich begeistert war von diesem Buch. Es ist eine schön erzählte Geschichte, gut lesbar, zugleich komplex. Die Deutschstunde hat mich auch berührt, weil ich selber vom Dorf bin. Und Lenz erzählt eine Familien-Dorf-Geschichte. Zwei Leute, die im selben Dorf geboren sind: der Maler und der Polizist. Die beiden stehen in enger Verbindung. Sie waren befreundet, bis der Polizist dem Maler das Malverbot verkündet und es fast wahnhaft überwacht. Dabei hat der Maler den Polizisten einmal vor dem Ertrinken gerettet.
Eine kleine Geschichte im Großen.
Eine Konstellation, die man sich gut zwischen den Menschen in einem Dorf vorstellen kann. Und wie sich so ein Verhältnis verschiebt, weil eine Ideologie eingreift, die Welt hinter dem Deich, wenn man so will.
Wie blicken Sie als Niederländer auf diese Vergangenheit und wie die Deutschen damit umgehen?
Siegfried LenzSchriftsteller
17. März 1926 – 7. Oktober 2014
Na ja, ich gehöre auch zu dieser Generation. Ich wurde 1946 geboren, direkt nach dem Krieg. Das Buch spielt Anfang der fünfziger Jahre, ich habe mich auch mit Vergangenheit auseinandersetzen müssen. Nur war das glücklicherweise keine ideologische, keine faschistische Vergangenheit. Wenn ich in Deutschland geboren worden wäre, wäre ich kein Außenstehender gewesen. Ich glaube, die Deutschen haben sich nach dem Krieg sehr geschämt. Darf ich Ihnen von Köln und Rotterdam erzählen?
Bitte!
Ich bin in einem Dorf bei Rotterdam aufgewachsen, einer Stadt, die im Krieg durch die Deutschen zerstört worden ist. Das Rotterdam von heute ist eine moderne Stadt, in Ruhe nach dem Krieg wieder aufgebaut. Gleichzeitig hat man in Städten wie Köln, wo alles ganz schnell wieder hochgezogen worden ist, eine Scham-Architektur.
Wie meinen Sie das?
Der schnelle Wiederaufbau lag natürlich am Wirtschaftswunder, aber nicht nur. Ein Grund war auch, dass man dadurch die Möglichkeit hatte, die Vergangenheit zu vergessen. Das ist ein Riesenunterschied zu Rotterdam, wo man gedacht hat: Es war nicht unser Angriff, wir haben keine Schuld, wir machen es ganz ruhig und entwickeln die Stadt. Bis in die neunziger Jahre gab es noch Kriegsbrachen, und man hat sich Zeit gelassen, um die beste Idee dafür zu entwickeln. Aber das ist mein Blick auf die Vergangenheit, das hat nichts mit der Deutschstunde zu tun.
Vielleicht hat es doch etwas mit der Deutschstunde zu tun. Scham, das Wegschieben von Erinnerung. Manche sagen: Der Roman war so erfolgreich, weil er den Deutschen die Gelegenheit gegeben hat, die Vergangenheit wegzuschieben in dieses Dorf, zu den merkwürdigen Gestalten hinterm Deich.
Ich bin nicht einverstanden mit diesem Erklärungsmodell. Die Geschichte, die Lenz erzählt, ist eine universelle Geschichte. Wie kann es sein, dass sich jemand auf eine bestimmte Art verhält und nicht anders? Der Polizist zum Beispiel. Ich habe versucht, die menschliche Seite dieses Mannes darzustellen. Einfach gesagt: Er benutzt den falschen Teil seines Gehirns. Sein Gehirn wäre auch zu anderen Dingen imstande, bestimmt!
Das müssen Sie erklären.
Wenn ein Faschist und ein Sozialist am Wasser stehen, mein Sohn fällt ins Wasser und der Faschist springt ihm nach – wer ist dann der Held? Für mich in dem Moment der Faschist. Seine Gedanken sind die falschen und so weiter, aber es gibt noch etwas anderes in diesem Menschen, das wollte ich zeigen. Es ist immer schwierig, mit den Deutschen darüber zu reden, finde ich. Auch mit anderen Generationen, mit Jüngeren. Oder ist das nicht so?
Doch, das ist schon so. Auch in meiner Generation. Wir können das nicht so sehen, die Täter nicht aufspalten in den gütigen Menschen und den furchtbaren Nazi. Ich glaube, viele empfinden keine Schuld, aber eine Bürde, Verstrickung, auch Scham über das, was Vorfahren getan oder unterlassen haben.
Der Volkssturm in der Deutschstunde hat für mich eine ganz wichtige Bedeutung. Als die britischen Truppen am Ende des Krieges Schleswig-Holstein einnehmen, organisiert der Polizist den Volkssturm, um die Briten zurückzuschlagen. Der Sohn des Polizisten ist zehn Jahre alt, als er mit seinem Vater in diesem Volkssturm kämpft. Das ist für mich eine der bedrückendsten Szenen. Der Vater verteidigt die Straße bis zum letzten Moment. Und der Sohn bewundert ihn dafür als Helden.
Was bedeutet der Volkssturm für Sie?
Ich verstehe ihn nicht. Die Deutschen wussten ja irgendwann, wir haben verloren, und kämpften trotzdem einfach weiter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da noch auf ihrer politischen Überzeugung beruhte. Aber man darf nicht vergessen, was ihnen versprochen wurde, damals 1933: Ihr bekommt ein Tausendjähriges Reich. Ein Tausendjähriges Reich! Und die Leute haben das geglaubt. Aber ich weiß sehr wohl, dass der Sohn beim Volkssturm nur gedacht hat: Mein Papa, der Held, kämpft alleine gegen die ganze englische Armee.
Also: Die Geschichte berührt, sie hat unmittelbar mit uns zu tun. Es ist die große Erzählung, wie Menschen einer Ideologie folgen – und wie sich das auswirkt auf der Mikroebene, im Miteinander.
Ja, das ist das Großartige an diesem Lenz. Wenn man gut darüber nachdenkt, dann schläft man eine Nacht sehr schlecht.
Was haben Sie durch die Beschäftigung mit dem Roman gelernt? Hat sich Ihr Bild von den Deutschen verändert?
Ich kann mir seit der Lektüre besser vorstellen, warum die Deutschen ihre Vergangenheit so belastet. Der Volkssturm hat mich einige Nächte richtig beschäftigt. Wie kann es sein, dass man blind jemandem folgt, immer weitermacht? Mir ist fremd, wie der Polizist handelt, die Konsequenz, mit der er seine Pflicht erfüllt. Ich weiß nicht, ob mein Bild klarer ist. Es ist differenzierter. Rüdiger Safranski hat das in seinem Buch über die Romantik beschrieben. Er erklärt die deutsche Seele mit diesem Aufopfern.
Lenz bekam 1988 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Damals sagte er: „Als Schriftsteller habe ich erfahren, wie wenig Literatur vermag, wie dürftig und unkalkulierbar ihre Wirkung war und immer noch ist.“
Das passt zu dem Pfeifenraucher Lenz. Aber das kann er nicht ernst gemeint haben.
Er war bescheiden.
Ja, aber das ist zu bescheiden. Es sind doch sehr viele Bücher von der Deutschstunde verkauft worden, es hat die Menschen dazu gebracht, sich mit ihrer Geschichte, ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Dann konnte Siegfried Lenz doch auch glauben, dass dieses Buch eine große Wirkung entfaltet hat.
Die Zeitzeugen sterben, kürzlich kam die Nachricht vom Tode Ralph Giordanos, Lenz starb im Oktober. Sie erinnern uns an das, was passiert ist. 1968 galt die Deutschstunde als verspätet. Ist die Beschäftigung damit jetzt wieder richtig, weil die Leute, die die Nazizeit miterlebt haben, aussterben – wir uns aber weiter mit der Geschichte auseinandersetzen sollten?
Ich hoffe, dass es eine richtige Entscheidung von uns gewesen ist, es zu inszenieren. Ich glaube, es ist eine Geschichte für alle Zeiten. Eines der eindrücklichsten Bilder ist für mich, als der Polizist auf einmal „schichtig kieken“ kann …
… also etwas voraussieht.
Er hat eine Vision, sieht, wie ein Kriegsschiff untergeht und in der Nordsee verschwindet. Unglaublich stark, wie Lenz das beschreibt. Ich bin an einem Fluss geboren; im Sommer ist alles Land, der Fluss ist zwei Kilometer entfernt. Wenn man Leuten sagt: Im Winter steht hier Wasser – dann glauben sie es nicht. Aber wenn Flut kommt und Regen, tritt der ganze Fluss aus seinem Ufer. Es ist so, wie Lenz es in der Deutschstunde beschreibt: Die Geschichte kann noch so groß sein, der Weltkrieg oder die deutsche Geschichte. Die Natur, das Wasser verwischt alle Spuren. Vielleicht kommt immer wieder die Zeit, die Geschichte vom Grund des Meeres noch einmal nach oben zu holen.
■ Felix Zimmermann, 40, leitet die taz.am wochenende
■ Volker Wiciok, 44, ist Fotograf in Bochum