: Die Gehilfin des Herrn L.
2.700 Euro Strafe muss ein Rechtsanwalt zahlen, der Geld unterschlug, weil er mit der Buchhaltung überfordert war
Hans-Werner L. hat es an diesem Tag vorgezogen, nicht vor Gericht zu erscheinen. Das hat man ja auch nicht so gern, jedenfalls, wenn man selbst der Angeklagte ist, zumal als Anwalt. Herr L. also lässt sich entschuldigen – und von einem Kollegen vertreten. Verantworten muss er sich wegen Unterschlagung, und weil er 6.000 Euro einbehielt, die prinzipiell als Kaution für einen Haftbefehl hätten dienen sollen. „Nicht aus böser Absicht“, wie sein Verteidiger darzulegen versucht, oder gar aus krimineller Energie. Sondern weil er einfach „völlig überlastet“ gewesen sei. Mit der Buchhaltung. Ohne Frau.
Eigentlich hatte L., 55, ja eine Assistentin in seiner Kanzlei, eine, die auch mit Gelddingen befasst war. Und die dann seine Frau wurde, und schwanger von ihm. Eine so genannte „Risikoschwangerschaft“, wie der Verteidiger vorträgt, was wiederum dazu führte, dass Frau L. „als Arbeitskraft ausfiel“ und Herr L. „den ganzen Laden alleine regeln musste“.
Doch damit war er offensichtlich überfordert. Als nämlich die 6.000 Euro, in seiner Kanzlei nur hinterlegt, gar nicht fällig wurden, sah er sich außerstande, dieses Geld wieder zurückzugeben. Auf ein entsprechendes Schreiben eines Anwaltskollegen jedenfalls reagierte L. nicht – „er war ja sehr viel zu Hause bei Frau und Kind“ – und sein Fall landete beim Landgericht.
Herrn L. focht das aber zunächst nicht an, er baute ja darauf, dass seine Gehilfin ins Büro zurückkäme und alles in Ordnung brächte. Sie kam nicht. Weder als Angestellte. Noch als Ehefrau. Mittlerweile sind die beiden getrennt, streiten sich rege über Besuchsrechte und Unterhaltskosten, jeweils mit Hilfe weiterer Rechtsanwälte. Auch ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ist gegen Herrn L. anhängig.
Seiner Hoffnung auf Frau und Untergebene beraubt, konnte er sich indes entschließen, etwas von dem Kautionsgeld zurückzuzahlen. „Peu à peu“, wie Staatsanwalt Frank Passade mehrmals betont, und ohne derlei Ratenzahlung vereinbart zu haben. „Er glaubte sich berechtigt, Aufrechnung zu betreiben“, erwidert sein Verteidiger.
Die Geschäfte, sie liefen „nicht so dolle“, das sagt auch Passade, und um die Buchhaltung sei es wahrscheinlich ähnlich schlecht bestellt gewesen. Im fraglichen Jahr 2005 kam Herr Rechtsanwalt L. jedenfalls nur auf 15.000 Euro zu versteuerndes Einkommen, nach 20 Berufsjahren. Aber Anwälte gelten eben zu unrecht als gute Kaufleute, da sind sich alle JuristInnen im Saal einig. Und so ist es L.s erstes Anliegen, nicht – wie vorgesehen – 3.600 Euro Strafe zahlen zu müssen. Der Staatsanwalt hat da kein Einsehen, die Richterin schon. Am Ende kommt er mit 2.700 Euro davon. Und eine neue Gehilfin hat er auch eingestellt. Jan Zier