Opferzahlen steigen

Bis zu 500 Tote bei Anschlagsserie im Nordirak. Schiiten und Kurden einigen sich auf eine neue Allianz

TAL AFAR/BAGDAD rtr/ap ■ Nach den verheerenden Anschlägen in zwei nordirakischen Dörfern hat die US-Armee die Suche nach Überlebenden aufgegeben. Es gebe kaum noch Hoffnung, unter den Trümmern der zu Dutzenden zerstörten Gebäude verletzte Opfer zu finden, sagte am Donnerstag Major Rodger Lemons, der für die Einsätze der US-Brigade in dem Gebiet zuständig ist.

Die am Dienstagabend verübte Serie von Anschlägen – eine der schwersten seit dem Einmarsch der US-Armee – galten der religiösen Minderheit der Jesiden, die in dem abgelegenen Gebiet westlich von Mossul lebt. Die Angaben zur Zahl der Todesopfer reichten gestern von 175 bis zu 500. Der Gouverneur der Provinz Ninive, Duraid Kaschmula, sprach von 220 Toten. Hunderte Häuser seien zerstört und ganze Familien ausgelöscht worden.

Regierungsbehörden in Bagdad erklärten, die Anschläge hätten 400 Menschen das Leben gekostet. Nach Angaben von Kifah Mohammed, Direktor des Krankenhauses in Sindschar in der Nähe der betroffenen Dörfer, drohte die Zahl der Toten auf 500 zu steigen, die der Verletzten auf 400.

Auch Einzelheiten der Anschlagserie blieben offen. Den Ermittlungen zufolge seien die Attentate in beiden Dörfern offenbar mit jeweils zwei Müllfahrzeugen verübt worden, die mit Sprengsätzen vollgepackt gewesen seien, sagte Lemons. Zunächst war von bis zu fünf Selbstmordattentaten mit Benzinlastern die Rede gewesen. Der irakischen Armee sei es zudem gelungen, eines der vier Fahrzeuge zu stoppen. Soldaten erschossen demnach den Fahrer, bevor er das Dorf al-Dschasira erreichte. In dem Ort Kahtania seien dagegen beide Anschläge gelungen.

Bei der Explosion einer Autobombe in einem belebten Geschäftsviertel in Bagdad wurden gestern mindestens 9 Menschen getötet und 17 verletzt.

Unterdessen haben Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki und Präsident Dschalal Talabani eine Allianz moderater Schiiten und Kurden angekündigt. Sie unterzeichneten gestern gemeinsam mit Kurdenführer Massud Barsani und dem schiitischen Vizepräsidenten Adel Abdul Mahdi eine Vereinbarung, die ihnen eine Mehrheit im Parlament garantiert. Das Abkommen wurde mit Enttäuschung aufgenommen, weil die gemäßigten Sunniten sich nicht beteiligten.

Präsident Talabani erklärte, der sunnitische Vizepräsident Tarik al-Haschemi und seine Islamische Partei hätten eine Einladung zur Beteiligung ausgeschlagen. „Die Tür steht ihnen jedoch weiter offen“, sagte Talabani. Regierungschef al-Maliki forderte die Irakische Konsensfront, den größten Block der Sunniten im Parlament, zu der auch die Islamische Partei gehört, zur Rückkehr in die Regierung auf.