: SPD verteidigt Merkel-Land
ERGEBNISSE Die SPD legt mit 36,5 Prozent deutlich zu. Würde sie auf die Bürger hören, käme nun nur eine Koalition mit der CDU infrage
VON HANNA GERSMANN
BERLIN taz | Bundesweit ist er bisher nur wenigen bekannt, am Sonntag war er der Mann des Tages: Erwin Sellering, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, SPD-Politiker, hat bei den Landtagswahlen am Sonntag ein glänzendes Ergebnis eingestrichen.
Die SPD liegt mit 36,5 Prozent – das ist ein Plus von gut 6 Prozent im Vergleich zur Wahl 2006 – weit vor allen anderen. So lautete das Resultat der ZDF-Hochrechnung von 19 Uhr. Die CDU hingegen verliert demnach und kommt auf 23,6 Prozent. So schlecht hat die Union in dem Land, aus dem Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt, noch nie abgeschnitten. 2006 lag sie noch bei 28,8 Prozent. Die Linkspartei erhält indes 18,2 Prozent, gewinnt 1,4 Prozent hinzu. Sellering kann wählen, mit wem er die nächsten Jahre zusammen regieren möchte.
In einer der letzten Umfragen vor der Wahl nannten 59 Prozent der Bürger Rot-Schwarz als ihre Wunschkoalition. SPD und CDU haben fünf streitfreie Jahre hinter sich. Auch im Wahlkampf vermieden sie harte Auseinandersetzungen. Der Spitzenkandidat der CDU, Lorenz Caffier, fiel allenfalls mit dem Slogan „C wie Zukunft“ auf. Die Arbeitslosigkeit sei gesunken, der Tourismus laufe, und das arme Land nehme seit 2006 keine Kredite mehr auf – das erklärten Politiker von SPD und CDU gern. Es spricht einiges für Schwarz-Rot, aber nicht alles.
Von 1998 bis 2006 haben unter Harald Ringstorff Rot-Rot bereits in Mecklenburg-Vorpommern regiert. Und der Spitzenkandidat der Linkspartei, der frühere Arbeitsminister Helmut Holter, hat sich im Wahlkampf als Juniorpartner angeboten – Motto: „Schöner mit uns“.
Rot-Rot hätte eine „stabile Mehrheit“, sagte Steffen Bockhahn, Landesvorsitzender der Linkspartei, der taz – „Wir stehen zur Verfügung.“ Nun müsse die SPD beantworten, wie ernst es ihr mit dem flächendeckenden Mindestlohn sei, den sie im Wahlkampf versprochen habe – die CDU setzt auf eine Lösung über die Tarifpartner.
Geht die SPD mit der Union zusammen, die sie auf Bundesebene bekämpfen muss? Oder mit der Linkspartei? Sellering ließ am Wahlabend alle Optionen offen. Rot-Grün war am Wahlabend weitgehend ausgeschlossen. Der Vorsprung wäre knapp ausgefallen, und die Koalition wäre auch nur möglich, wenn die NPD aus dem Schweriner Schloss flöge. Danach sah es aber bei Redaktionsschluss nicht aus, sie lag bei 5,6 Prozent.
Die Grünen schaffen im Nordosten sicher den Einzug in den Landtag – zum ersten Mal, und zwar mit 8,2 Prozent. Sie haben etwa mit dem Protest gegen Massentierhaltung oder gegen das Atomlager in Lubmin mehr und mehr Anhänger gewonnen. Spitzenkandidaten Silke Gajek und Jürgen Suhr profitierten in Mecklenburg-Vorpommern vom bundesweiten Trend.
Auch bei der FDP machte sich der Bundestrend bemerkbar, in diesem Fall: der Abstieg. Die FDP kommt nach dem desaströsen Imageverlust der Bundespartei nicht mehr in den Landtag, sie landet bei 2,8 Prozent. 2006 holten die Liberalen noch 9,6 Prozent. Der Landesvorsitzende Christian Ahrendt trat noch am Wahlabend zurück. FDP-Generalsekretär Christian Lindner aber meinte: „Niemand sollte die FDP abschreiben, wir kämpfen.“
Die knapp 1,4 Millionen Wahlberechtigten im Nordosten durften nicht nur über die Zusammensetzung des Landtages in Schwerin abstimmen. Auch Kreistage und Landräte wurden gewählt. Zudem durften die Bürger entscheiden, welchen Namen die nach der Kreisgebietsreform zusammengelegten Landkreise tragen. Im Vorfeld der Wahl hieß es, so werde womöglich das Interesse an der Wahl steigen. Doch die Wahlbeteiligung lag niedriger als 2006 – genau: bei 52 Prozent.
Es ist die sechste von sieben Landtagswahlen. Die SPD erwartet nun „Rückenwind“, die CDU zeigte sich „enttäuscht“. In knapp zwei Wochen wird auch noch in Berlin gewählt. Das amtliche Endergebnis von Mecklenburg-Vorpommern steht allerdings auch erst in zwei Wochen fest. Nach dem Tod eines CDU-Landtagskandidaten ist für einen Wahlkreis auf Rügen eine Neuwahl angesetzt. Viel ändern wird das aber nicht. Die Regierung in Schwerin muss sich vor allem einem Problem stellen: Die Menschen werden älter, und sie werden weniger.