: Leftvision
Das Video-Kollektiv produziert alternatives Fernsehen im Internet – professionell, kritisch, aber auch mainstreamtauglich wünschen sich die jungen Online-JournalistInnen ihr Programm
Ein Video-Kollektiv, das noch MitstreiterInnen sucht. Wer Interesse hat meldet sich am besten per Email. Zum reinschnuppern gibt es aktuell ein Mobilisierungsvideo zum Klimacamp in Brandenburg, ein Beitrag über die Situation von Flüchtlingen an der lybischen Grenze und das Interview mit Slavoi Zizek online zu begutachten:
■ Im Netz: www.leftvision.de
■ Kontakt: leftvision@gmail.com
In ein schwarzes T-Shirt gekleidet sitzt der slowenische Philosoph Slavoj Zizek im kleinen Studio des Berliner Video-Kollektivs leftvision. „Der Westen hat sich eine säkularisierte Revolte ohne Antisemitismus in der arabischen Welt gewünscht. Genau das ist jetzt eingetreten!“, erklärt der Popstar-Philosoph stark gestikulierend seinem Interview-Partner außerhalb des Bildes. Während er diese und weitere Thesen ausführt, springt die Kamera zwischen verschiedenen Einstellungen hin und her. Im weiteren Verlauf des Gesprächs, in dem es um die islamischen Revolutionen geht, bezieht der Philosoph auch zu Libyen Stellung: „Wenn in dem Land tatsächlich emanzipatorische Kräfte aufbegehren, warum sollte die Nato ihnen dann keine Waffen geben? Vielleicht können sie diese noch mal in zehn Jahren gebrauchen, um sich gegen Druck aus dem Westen verteidigen zu können!“, appelliert er.
Das Zizek-Interview kann seit Juni auf den Seiten des Video-Kollektivs „leftvision“ angesehen werden. Ein eindrucksvolles Video, das verdeutlicht, worum es den VideoaktivistInnen geht: die Produktion und Verbreitung hochqualitativer und pointierter politischer Videoclips. „Wir stehen auf schöne und aussagekräftige Bilder“, kommentiert Clara Peters, Gründungsmitglied von leftvision, die Arbeit des Kollektivs.
Die Idee für das Portal entstand während der G-8-Proteste in Heiligendamm 2007. Schon damals wurden die Gipfel-Proteste von alternativen Videoprojekten begleitet, doch erreichten die Videos – wohl auch auf Grund ihrer Ausrichtung – vor allem die eigenen Kreise. Deshalb fassten die AktivistInnen den Entschluss, ein Portal einzurichten, das ein breiteres Publikum ansprechen soll. „Wir wollen ein Akteur sein, der Kritik und Alternativen über die Szene hinaus sichtbar macht“, konstatiert Peters.
2009 ging die Plattform www.leftvision.de schließlich online. Auf ihm präsentiert die Gruppe wöchentlich selbstgedrehte Beiträge und verlinkt Clips anderer alternativer Projekte wie Graswurzel.tv oder kanalB – sowie Filme, die sich auf unterschiedliche internationale Ereignisse wie etwa die Proteste in Großbritannien oder in Griechenland beziehen. Dabei versucht die Gruppe eine Perspektive einzunehmen, die sich von dem medialen Mainstream abgrenzt. Die Schaffung einer politischen Gegenöffentlichkeit ist ebenso wie die Anschlussfähigkeit an den Mainstream ein wichtiges Anliegen des Video-Kollektivs.
Die Video-Arbeit des Kollektivs teilt sich in vier verschiedene Formate. Das aktuell wichtigste Format ist „Protest und Bewegung“, für das die Gruppe in den vergangenen zwei Jahren mehrere Mobilisierungs-Videos zu politischen Protesten wie dem diesjährigen Anti-Nazi-Protest in Dresden und den Blockaden des Atomkraftwerks in Brockdorf drehte. In naher Zukunft sollen Großereignisse wie die Castor-Proteste auch durch politische Kommentare analysiert werden.
Das Ziel des Debatten-Formats „Diskurskombinat“ ist es, politische Grundbegriffe wie „Kritische Theorie“ oder „Eigentum“ von linken Intellektuellen erklären zu lassen. Den Historiker Wolfgang Wippermann ließen sie im September 2010 den Begriff „Extremismus“ erläutern. Auch das Interview mit Slavoj Zizek wurde unter dieser Kategorie veröffentlicht. Bei den einzelnen Beiträgen achtet die Gruppe stets darauf, dass diese verständlich bleiben. „Damit wollen wir einen Beitrag zur politischen Alphabetisierung leisten“, erklärt Peters.
Ein weiteres Format namens Copwatch wird bis Ende des Jahres online gehen. Copwatch wird nicht direkt von „leftvision“, sondern von einem befreundeten Video-Kollektiv produziert und soll Polizeigewalt dokumentieren und diese journalistisch wie politisch aufarbeiten. Die Video-AktivistInnen hoffen, dass „Copwatch“ zu einem Ort wird, an dem AugenzeugInnen gezielt ihre Videos hochladen können, mit denen Übergriffe von PolizistInnen aufgeklärt werden sollen. Leftvision unterstützt das Projekt, indem die auf www.cop-watch.de präsentierten Clips auch auf der eigenen Seite verlinkt werden.
Als Viertes gibt es ein Satire-Format, mit dem das Kollektiv im September Großes vorhat: Mit einer Live-Wahlsatire-Show sollen die Abgeordnetenhauswahlen begleitet werden. Leftvision möchte damit ein Zeichen gegen die „eintönigen“ und „nichtssagenden“ Wahlsendungen setzen. Auf der Gästeliste der Show stehen Kandidaten der Berg Partei und der APPD. Auch Martin Sonneborn soll für die Aktion gewonnen werden.
Wer Lust bekommen hat, das Kollektiv zu unterstützen, kann sich per Mail an Peters und ihre MitstreiterInnen wenden. Leftvision braucht dringend neue VideoaktivstInnen. „Wir haben zu viele Ideen und zu wenig Hände, um diese umzusetzen“, erklärt Peters. Es besteht die Möglichkeit, eigene Videos zu produzieren, Vorkenntnisse sind aber nicht erforderlich. Wie Peters berichtet, verfüge leftvision über alle Möglichkeiten, Interessierte an die Arbeit heranzuführen. Wer sich einen weiteren Vorgeschmack auf die ihn erwartende Arbeit holen will, kann sich das zweite Zizek-Interview über die Krise der Demokratie auf der Website von leftvision ansehen, das am 6. September auf der Seite veröffentlicht wird.
Lukas Dubro